Das Bürgerrecht im Mittelalter1

Um in den Genuss von Schutz und Privilegien eines städtischen Gemeinwesens zu gelangen, musste man durch Zahlung eines Bürgergeldes und durch Ablegen eines Bürgereides das Bürgerrecht erwerben. Dafür hatte der Bewerber nachzuweisen, dass er von ehelicher Geburt, nicht leibeigen oder fremder Herrschaft untertan und nicht in andernorts anhängige Rechtshändel verwickelt sei.
Zum Beleg der wirtschaftlichen Unabhängigkeit musste ein Kapitalnachweis erbracht werden oder ein Lehr- bzw. Meisterbrief vorgelegt werden. Mancherorts hatte der Bewerber Bürgen zu stellen, die dafür garantierten, dass er den Bürgerpflichten genügen und das Bürgergeld erlegen würde. Nach regulärem Ablauf einer Probefrist wurde der Bürgereid abgelegt, das Bürgergeld entrichtet und es erfolgte der Eintrag ins Bürgerbuch.

Das Bürgerrecht beinhaltete Rechte wie Pflichten. Zu den Rechten zählten Freizügigkeit, freies Konnubium, Testierfreiheit, Freiheit von nichtstädtischer Heerfahrt und von stadtfremder Gerichtsbarkeit, aktives und – häufig mit Einschränkungen – passives Wahlrecht. Zu den Pflichten zählten u.a. Treuepflicht der Stadt gegenüber, Bereithaltung eigener Waffen und Waffendienst zur Stadtverteidigung, Bereitschaft zu Löschdiensten, pünktliches Entrichten städt. Steuern und die Versicherung, vor dem Wegzug die Erlaubnis des Rats einzuholen.

Wollte ein Bürger aus der Stadt wegziehen, so hatte er nachzuweisen, dass er in der Stadt keine Schulden mehr hatte, musste eine Nachsteuer entrichten und einen "Abzugseid" schwören. Liegenschaften des weichenden Bürgers mussten innerhalb eines Jahres eingesessenen Bürgern verkauft werden, sollten sie nicht entschädigungslos der Stadt zufallen. Pflicht war auch, die Wahl in ein städtisches Amt anzunehmen.

Das Bürgerrecht konnte bei bestimmten Vergehen für immer (Verrat an der Stadt, Aufruhr, Kapitalverbrechen), bei anderen (grober Verstoß gegen städt. Ordnungen, schwere Körperverletzung) auf Zeit entzogen werden. Der Erwerb des Bürgerrechts war nach vielen Stadtrechten in Groß- und Mittelstädten (z.B. Schlettstadt, Zwickau oder Straßburg, 14. Jh.) auch Frauen möglich, seien sie einheimisch oder zugezogen, ledig oder verwitwet. Nach manchen Stadtrechten waren zugezogene Frauen geradezu zur Leistung des Bürgereids innerhalb einer gewissen Frist verpflichtet. Für die Gewährung des Bürgerrechts wurde mancherorts von Fremden - Männern oder Frauen - eine Aufnahmegebühr erhoben (etwa 3 Gulden in Miltenberg), die erlassen wurde, wenn der/die Zugezogene in eine Bürgersfamilie einheiratete. Die vielen erhaltenen Bürgerbücher lassen erkennen, dass der Bürgerrechtserwerb durch Frauen bei bis zu 6% der Bewerber liegen konnte (so in einer Soester Liste für die Jahre von 1302 bis 1449).

 

1 Quelle: Peter C. A. Schels: Kleine Enzyklopädie des deutschen Mittelalters