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Bessarabien unter rumänischer Herrschaft

(Teil 4 von 7)

Der Friedensvertrag von Versailles

William Orpen - Friedensunterzeichnung im 
      Spiegelsaal von Versailles
William Orpen:
Friedensunterzeichnung im Spiegelsaal
von Versailles

die völkerrechtliche Anerkennung Bessarabiens als Teil Rumäniens wurde von Frankreich, Großbritannien und Italien im Friedensvertrag von Versailles 1920 anerkannt, trat aber nie in Kraft, weil er von Japan nicht unterschrieben wurde. Die Vereinigten Staaten weigerten sich den Vertrag zu unterschreiben, weil die nach 1918 entstandene Sowjetunion nicht an der Konferenz teilnahm. Die Sowjetunion weigerte sich den Anschluss Bessarabiens an Rumänien anzuerkennen. 1924 forderte sie eine regionale Volksabstimmung, die zum 2. Mal von Rumänien abgelehnt wurde. Die Sowjetunion erklärte somit, dass Bessarabien sowjetisches Territorium unter fremder Besatzung sei. Den Verlust Bessarabiens wollte die Sowjetunion nie verwinden und Stalin beanspruchte das Land weiterhin.

 

Zwischenkriegszeit (1918 - 1940)

Durch den Einmarsch der rumänischen Truppen und der Angliederung Bessarabiens an das Königreich war die kommunistische Gefahr nun gebannt.

Rumänien in der 
        Zwischenkriegszeit

Wie Sterne der Hoffnung gehen die Versprechungen, die die rumänische Regierung den deutschen Kolonisten macht, über Bessarabien auf: Rückgabe der Eigentumsurkunden, Bewahrung der deutschen Tradition, Wiedereröffnung der deutschen Schulen, Deutsch als Muttersprache Amts- und Schulsprach usw.

Rumänische Soldaten
Rumänische Soldaten

Anfangs wurde die Autonomie Bessarabiens im Rumänischen Staat respektiert, aber mit der Zeit setzte sich die zentralistische Verwaltung, die Romanisierungspolitik, durch.

In der Zwischenkriegszeit von 1918-1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänien setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Ein gewisser Romanisierungsdruck, der den Russifizierungsdruck ersetzte, fand in Bessarabien dennoch statt, auch wenn dieser nicht so stark wie die zuvor stattgefundene Russifizierung war. Die Institutionen der Minderheiten blieben weitgehend bestehen.

Der rumänische Staat, der viele seiner anfangs gemachten Versprechungen dann doch nicht einhielt, sondern im Zuge seiner Romanisierungspolitik deutsches Kulturgut und deutsches Brauchtum so rigoros wie möglich zu unterbinden sucht, führt dazu, dass die Bessarabiendeutschen noch enger zusammenrücken. Bewusst pflegten sie das vor mehr als einem Jahrhundert aus der Heimat der Väter Mitgebrachte. Die deutsche Charakteristik der Dörfer und Marktflecken tritt, je mehr Rumänien dies unterdrückt, umso deutlicher hervor. An den Wochenenden werden kulturelle Abende mit Laienspiel, Literatur und Gesang veranstaltet, die sehr gut besucht sind.

Vereinsgruppe Sofiental (vorne rechts sitzend: Ella Bechtle)
Vereinsgruppe Sofiental (vorne rechts sitzend: Ella Bechtle)

Bessarabien als abgelegene und rückständige Provinz im Osten Rumäniens wurde zum Strafversetzungsgebiet für rumänische Beamte.

 

Auch konnten durch die Agrarreform von 1920, mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar), viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Seit 1937 bestand allerdings für die bessarabischen Juden ein Verbot, Land zu erwerben.

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rumänischer Bauernhof
ein rumänischer Bauernhof

Bei der rumänischen Volkszählung von 1930 hatte Bessarabien ca. 2,8 Millionen Einwohner.

Die Bevölkerung bestand aus:

  • 57 % Rumänen (Moldauer)
  • 12 % Russen
  • 11 % Ukrainern
  • 7 % Juden
  • 6 % Bulgaren1
  • 3 % Deutschen
  • 1 % anderen, darunter Gagausen2, Roma (Zigeuner), Griechen, Armenier, Kosaken.

Ab 1933 fand der gesamte Unterricht auf Rumänisch statt. Einzig der Religionsunterricht durfte noch von deutschen Lehrern auf Deutsch erteilt werden. Die rumänische Politik war leicht zu durchschauen: Von Kindesbeinen an sollten die deutschen Kolonisten romanisiert werden und wie ist dieses Ziel erfolgreicher zu erreichen, als über die Schulbildung?

Trotz allem müssen die Bessarbiendeutschen den Rumänen aber dankbar sein, dass sie, durch die Besetzung Bessarabiens, 1918, vor dem Schicksal der Russlanddeutschen, die nach Sibirien verbannt wurden, bewahrt worden sind.

bulgarische Familie
eine bulgarische Familie

1933 entwickelte sich im etwa 1.500 km entfernten Mutterland Deutschland der Nationalsozialismus und griff auch auf das bäuerlich-kirchlich geprägte Bessarabien über. Während die ältere Generation der Landwirte dieser Entwicklung gleichgültig gegenüberstand, waren die jüngeren, nicht bäuerlichen Deutschen davon beeindruckt. Es entstand eine sogenannte Erneuerungsbewegung, die eine völkische Erweckung anstrebte, Deutschland idealisierte und antikommunistisch ausgerichtet war. Die Jugend Bessarabiens passte sich der Jugend in Deutschland an, wendete sich kulturell dem Mutterland zu und führte kleinere Aufmärsche durch.

Aufmarsch in Sofiental mit der blau-gelb-roten rumänischen Flagge
Aufmarsch in Sofiental mit der blau-gelb-roten rumänischen Flagge

Fast schleichend hatte sich im Leben der Bessarabiendeutschen eine Veränderung bemerkbar gemacht. Wo früher der Wohlstand der deutschen Kolonisten in schmu cken Dörfern, gut genährtem Vieh und gepflegten Feldern und Wiesen Ausdruck fand, war nun eine Verarmung nicht zu übersehen.

Die Menschen hatten kein Vertrauen in die Zukunft, weder unter den Rumänen, noch unter den Russen, von denen gemunkelt wurde, dass sie sich Bessarabien in absehbarer Zeit zurückholen würden.

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1Bulgaren = einzelne bulgarische Familien kamen schon 1770, 1790 und 1806 als Emigranten in die Gegend von Ismail, in den Budschak nach Südbessarabien, um Schutz vor dem Osmanischen Reich zu finden. 1812, nachdem Bessarabien zum Russischen kam, lebten bulgarische Kolonisten in 60 Dörfern Bessarabiens.
Größere Gruppen wanderten im Rahmen der russischen Ansiedlungen nach der endgültigen russischen Übernahme von 1812 ein. Sie ließen sich westlich von Ismajil bei der Stadt Bolgrad und auf den von den Tataren verlassenen Gebieten im Süden nieder.
1819 erhielten die 24.000 in Bessarabien lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Kolonistenstatus, der mit Privilegien verbunden war. 1927 lebten zirka 150.000 Bulgaren in Bessarabien.

2 Gagausen = Volksgruppe in Moldawien; als Vorfahren der Gagausen gelten z.T. die Turkölker der Petschenegen, Uzen, Torken und Polovcer, z.T. auch die Kumanen.

 

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