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Die Kirchenfeste in Bessarabien

 

die aus unterschiedlichen Herkunftsregionen eingewanderten deutschen Siedler hatten auch verschiedene Gewohnheiten, Lieder und Bräuche mitgebracht, die die Deutschen in Bessarabien in Freud und Leid begleiteten und ihnen auch geholfen haben ihr Volkstum zu erhalten.

 

Das Weihnachtsfest

Weihnachten, Fest der großen Liebe mit dem Wunder von Bethlehem, war für die bessarabiendeutschen Lutheraner das höchste Fest des Jahres, welches mit Kirche, Schule und Familie zusammen gefeiert wurde.

 

Hutzelbrot
Hutzelbrot

In der Vorweihnachtszeit gab es für die Mutter viel zu tun. Die Küche verwandelte sich in den letzten zwei, drei Wochen in eine richtige Backstube. Das Zopf- und Hutzelbrot und verschiedene Lebkuchen sollten ja nicht nur in reicher Fülle vorhanden sein, sondern auch gut geraten und besondere Leckerbissen darstellen. Auch die selbst gekochte Schokolade aus Kakao und Vollmilch durfte in keinem Hause fehlen.

 

Christbaum
Christbaum

Der letzte Vorweihnachtstag wurde noch vollends der Hausreinigung gewidmet. Am Nachmittag kam der Christbaum1 an die Reihe, der im Wohnzimmer aufgestellt wurde. Die Mutter behängte ihn mit Äpfeln, vergoldeten Nüssen, bunten Kugeln, Glitter und Kerzen. Dies alles geschah hinter verschlossenen Türen, das die Erwartung der Kinder noch mehr steigern sollte.

 

Einige Wochen vor dem Christfest gab sich der Küster die große Mühe, indem er mit den Schulkindern Sprüche, Weihnachtslieder und Spiele einübte, die das Fest bereichern sollten.

Die Gemeinde spendete Geld, mit dem Nüsse, Äpfel, Feigen, Erdnüsse, Süßigkeiten und anderes mehr zur Bescherung der Kinder von den Kirchenvorständen eingekauft wurden. Die ganzen Einkäufe wurden dann von den Kirchenvorständen gleichmäßig in Papiertüten verteilt, in Körbe gelegt und in einem Nebenraum im Bethaus bereitgehalten.

Typisches Bethaus mit Glockenturm
Typisches Bethaus mit Glockenturm

Der große Christbaum wurde von den beiden Vorstehern und etlichen großen Mädchen vor dem Heiligen Abend im Bethaus geschmückt. Die Schulkinder durften ihn vorher nicht sehen. Es sollte ihnen ja allen eine wahre Freude bereitet werden. Danach wurde die Tür zum Bethaus abgeschlossen und der Schlüssel vom Küster verwahrt.

 

Christbaumschmuck

Am 24. Dezember um 18 Uhr begann das große Fest für Erwachsene und Kinder und das Bethaus war stets bis auf den letzten Platz besetzt. Während die letzten Glockentöne verklangen, zogen die Lehrer und Schüler paarweise in den feierlichen Raum ein und stellten sich gegenüber dem Christbaum auf. Die Freude und das Glück blickten aus den Augen der Kinder, als die Kirchenvorsteher Kerze um Kerze anzündeten. Nachdem einige Strophen des Liedes „Dies ist die Nacht, da mir erschienen ...“, gesungen waren, verlas der Küster die frohe Botschaft des Weihnachtsfestes.

Heilig Abend in Bessarabien nach der Bescherung
Heilig Abend in Bessarabien nach der Bescherung

 

Krippenspiel
Krippenspiel

Nun begann das mit großer Sehnsucht erwartete Kinderfest, wo zunächst die Größeren ihre Sprüche vortrugen und die eingeübten Krippenspiele aufführten, ihnen folgten die Kleineren, dazwischen ertönten immer wieder die alten bekannten und schönen Weihnachtslieder. Jedes Kind war bestrebt, sein Bestes herzugeben.

Frühere evangelische Fassung des Vaterunsers
Frühere evangelische Fassung
des Vaterunsers

Als die Weihnachtsfeier vorüber war, betrat der Küster abermals die Kanzel, sprach ein Gebet, Vaterunser und Segen. Dann kam die glückselige Stunde der Kinder, indem die Körbe mit dem schon lange vor dem Fest bereitgestellten Inhalt verteilt wurden. Der Küster verlas die Namen der Schüler, der Kirchenvorsteher händigte ihnen eine Tüte mit dem geheimnisvollen Inhalt aus und der Lehrer teilte Hefte, Bleistifte und Bilderbücher an die Glücklichen aus. Voller Freude blickte die Gemeinde den strahlenden Kindern zu, aus deren Mund ein kräftiges Dankeschön kam. Nach dem gemeinsam gesungenen Weihnachtslied „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit" fand die kirchliche Feier ihren Abschluss.

 

Nun strömte alt und jung nach Hause, wo auch noch ein strahlender Weihnachtsbaum wartete und unter dem auch noch Geschenke lagen. Den Weihnachtsabend verbrachten alle Familienmitglieder zu Hause. Niemand wollte sich den Zauber dieses abends im Kreise der Familie entgehen lassen.

Weihnachtsgeschichte
Weihnachtsgeschichte

Die Mutter zündete die Kerzen des Christbaums an und die Kinder durften nun ins Zimmer eintreten. Staunend standen sie vor dem Weihnachtsbaum und bewunderten seine Pracht. Der Vater las zuerst die Weihnachtsgeschichte vor, worauf einige Weihnachtslieder gemeinsam gesungen wurden: Stille Nacht, O du fröhliche, Ihr Kinderlein kommet, Süßer die Glocken nie klingen, Ihr Hirten erwacht usw. Dass die nachherige Bescherung immer viel Freude auslöste, ist verständlich.

Pelzenmärtel
Pelzmärtel

Nicht selten kam auch der „Pelzenmärtel“. In seinem großen, schneeweißen Bart, seiner hohen Pelzmütze sah er recht rau und winterlich aus. Er fragte die Kinder über ihr Betragen, ob sie immer brav und gehorsam gewesen seien, hörte sich ihre Verschen und Liedlein an und beschenkte sie aus seinem großen Sack mit Äpfeln, Nüssen und Lebkuchen. Aber wehe den Kindern, die vorher nicht brav in der Schule und nicht fleißig gewesen waren, denen bot er als Geschenk die Rute an und ermahnte sie.

 

Während der Weihnachtstage besuchte man sich gegenseitig, fuhr auch auswärts zu Verwandten auf Besuch und genoss bei gutem Wein und Gebäck die frohen Stunden. Die Kinder beschäftigten sich mit den Geschenken.

 

Das Weihnachtsfest war für alt und jung immer wieder das schönste Fest des Jahres, indem zugerufen wurde: „Heute ist Euch der Heiland geboren, freuet Euch.“

 

Bis zum ersten Weltkrieg wurden drei Feiertage, danach nur noch zwei Feiertage gefeiert.

 

Am 27. Dezember, an dem die Dienstboten ihre Arbeitsplätze wechselten, war der Wandertag, den sie frei von jeder Arbeit genießen durften.

Dienstboten
Dienstboten

 

Die Knechte fuhren mit einem Gespann im Ort herum und sangen folgendes Liedchen: „Heute ist mein Wandertag, morgen ist mein Ziel, wenn ich zu meinem Wirte komm, krieg ich nicht viel.“

 

Blieb jemand bei seinem Dienstherrn, so wurde er mit Verwandten und Freunden eingeladen, um gemeinsam zu feiern.

In manchen Gegenden war es üblich, dass die deutschen Bauern an diesem Tag selbst in die Nachbarsdörfer fuhren, um die Vertragsverlängerung auszuhandeln und mit den Familien ihrer Arbeiter zusammenzusitzen.

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1 Echte Christbäume waren in dem waldlosen Budschak (Tatarisch: Winkel, Dreieck) nur schwer zu beschaffen und teuer; sie kamen erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts langsam in Mode. Als Ersatz holte man am 1. Advent kleine Kirschbäumchen in die Stube, damit sie am Heiligen Abend blühten und grüne Blätter trieben.

 

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