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Wirtemberg unter Herzog Karl Alexander (1733 - 1737)

(Teil 3 von 7)

 

Karl Alexander
Karl Alexander

nach Eberhard Ludwigs Tod 1733 fiel die Regierung an seinen zum katholischen konvertierten Vetter Herzog Karl Alexander aus der Nebenlinie Winnental. Ehe die (protestantischen) Landstände den neuen katholischen Herzog Karl Alexander anerkannten, ließen sie ihn die so genannten Religionsreversalien1 unterzeichnen, mit denen er die Rechte der württembergischen Landeskirche2 anerkennen musste. Der Herzog musste sich verpflichten die evangelisch-lutherische Religion im Herzogtum aufrechtzuerhalten und zusichern, nichts Katholisches, weder in Bauten und Bildern, noch im Alltagsleben, wie Prozessionen zu dulden oder neu einzuführen.

Belagerung Danzigs im Polnischen Thronfolgekrieg 1734
Belagerung Danzigs im Polnischen Thronfolgekrieg

Während des Spanischen Erbfolgekrieges und den nachfolgenden Türkenkriegen war er erfolgreicher Heerführer in österreichischen Diensten. Während dieser Zeit war er zum katholischen Glauben übergetreten. In Wirtemberg regierte er im Geist des Absolutismus3. Wegen des katholischen Glaubens des Herzogs wurden die landesbischöflichen Rechte und damit die Wahrung der evangelischen Landesreligion auf den Geheimen Rat übertragen.

Kaiser Karl VI.
Kaiser Karl VI.

Nach seinem Amtsantritt holte er die von Eberhard Ludwig nach Ludwigsburg verlegte Residenz wieder nach Stuttgart zurück.

 

Als Herzog beteiligte er sich weiter an kaiserlichen Militärmaßnahmen wie dem Polnischen Thronfolgekrieg4 (1733-1735).

Der reichs- und kaisertreu gesinnte Herzog Karl Alexander von Wirtemberg stellte ein Heer für Kaiser Karl VI. auf.

 

Das stehende Heer

Louis Braun: Württembergische Dragoner
Louis Braun: Württembergische Dragoner

Ohne die Genehmigung und Bewilligung der Landschaft5 einzuholen, wollte der Herzog 1735 nach dem Friedensschluss im Polnischen Thronfolgekrieg auch in Friedenszeiten ein stehendes Heer von 12.000 Mann halten. Ein stehendes Heer gab es in Wirtemberg zwar schon seit 1673, aber seine Truppenstärke belief sich um 1740 nur etwa auf 2.500 Mann, eine kleine Truppe, mit der weder außen- noch innenpolitisch betrachtet, wirklich Staat zu machen war. Über die Hälfte der Soldaten tat als Hausdragoner6 (historischer Ausdruck für leichter Reiter) in der herzoglichen Residenz Dienst, sorgte dort für den Schutz des Landesherrn und die Sicherung der Stadtgrenzen. Da noch kein nennenswerter Kasernenbau stattfand, war die Truppe meistens in Privatquartieren untergebracht.

 

Der geheime Finanzberater Joseph Süß Oppenheimer

Spottdarstellung des Joseph Süß mit Galgen als Emblem am unteren Bildrand
Spottdarstellung des Joseph Süß
mit Galgen als Emblem am unteren Bildrand

Die Finanzierung des Heeres überließ der Herzog weitgehend seinem geheimen Finanzberater dem jüdischen Finanzmann Joseph Süß Oppenheimer, der ihm zur bisher im Lande nicht üblichen merkantilistischen7 Wirtschaftspolitik riet.

Oppenheimer gründete eine Tabak-, Seiden- und Porzellanmanufaktur und auch die erste Bank Wirtembergs, die er selbst betrieb. Er besteuerte Beamtenbezüge und verkaufte gegen hohe Gebühren Handelsrechte für Salz, Leder und Wein an Juden. Daneben handelte er mit Edelsteinen, Edelmetallen, pachtete die staatliche Münze, veranstaltete Lotterien und Glücksspiele und vermittelte in Rechtsstreitigkeiten.

Herzog Karl Alexander beschloss die von Oppenheimer vorgeschlagenen Maßnahmen und Reformen in absolutistischer Machtvollkommenheit zu akzeptieren; ohne die Zustimmung der protestantischen Landstände, obgleich diesen – nach der württembergischen Verfassung – das Recht der Steuerbewilligung zugestanden hätte. Vor dem Hintergrund dieser politischen und interkonfessionellen Spannungen weckten Oppenheimers erfolgreiche Staatssanierung, sein Wohlstand und seine rigide Geld- und Steuerpolitik bei vielen Landesbeamten und Bürgern Neid und Hass.

Die evangelischen Landstände fühlten sich durch diese vom katholischen Herzog durchgesetzten Maßnahmen in ihrer finanziellen Selbstverwaltung beeinträchtigt. Wegen des Widerstands der Landschaft plante der Herzog, die Macht der Landstände zu brechen und der katholischen Kirche gleiche Rechte wie der evangelischen einzuräumen.

Er starb 1737 bevor er diesen Plan verwirklichen konnte. Sein Finanzberater Joseph Oppenheimer wurde noch am selben Tag verhaftet. Die Anklage lautete auf Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit, Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit Christinnen. Man warf ihm unter anderem vor, er habe sich an einer Vierzehnjährigen vergangen. Zwar wurde deren Jungfräulichkeit von zwei Hebammen bestätigt, dennoch wurde er am 9. Januar 1738 in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Beweise lagen für keinen derOppenheimer am Galgen (nach 1738) Anklagepunkte vor, auf Benennung von Straftaten oder auf eine Begründung wurde bei der Urteilsverkündung verzichtet.

Man stellte ihn in einem rot gestrichenen Käfig zur Schau und versprach ihn zu begnadigen, falls er zum Christentum übertrete, was er jedoch ablehnte. Am 4. Februar 1738 wurde er am Galgen gehängt.

12.000 Zuschauer beobachteten die Tötung auf dem Stuttgarter Hinrichtungsplatz. Oppenheimers Leichnam blieb sechs Jahre lang in dem eisernen Käfig, erst 1744 ließ ihn Herzog Karl Eugen abhängen und verscharren.

Burg Hohenneuffen: Gedenktafel für Joseph Süß Oppenheimer
Burg Hohenneuffen: Gedenktafel für Joseph Süß Oppenheimer

Der Käfig, in dem Joseph Süß Oppenheimer am Galgen hochgezogen und gehängt wurde, war eine Erfindung des Stuttgarter Geheimrates von Pflug, Mitglied der Untersuchungs-kommission. Oppenheimer sollte nicht frei hängen, wie andere zum Tod am Galgen Verurteilte, sondern wie ein Vogel im Käfig. Der Vogelkäfig sollte wohl auch auf die sexuellen Elemente der Anklage, umgangssprachlich das „Vögeln“, anspielen.

 

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1 Religionsreversalien waren ein Vertragswerk zwischen dem Herzog und der württembergischen Landschaft, das u. a. die Anerkennung des Protestantismus als Staatsreligion und der evangelischen Kirchenorganisation beinhaltet.

2 Evangelische Landeskirche in Württemberg = Herzog Ulrich von Württemberg setzte 1534 in seinem Herzogtum Württemberg die Reformation durch. Dies war das Gründungsjahr der Evangelischen Landeskirche. Der Herzog, später der jeweilige König von Württemberg, war damit auch Oberhaupt der Landeskirche als so genannter summus episcopus, d.h. der jeweilige Herrscher vereinigte die weltliche und die kirchliche Macht.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg war damit von Anfang an eine Lutherische Kirche, doch ist die Gottesdienstform der reformierten Tradition verpflichtet, d.h. die Gottesdienstfeier wird schlicht abgehalten (Oberdeutsche Form). Die in lutherischen Gemeinden sonst übliche Form der Lutherischen Messe wird nur selten praktiziert.
Eine Besonderheit der Württembergischen Landeskirche ist die enge Verbindung mit dem Pietismus. Bis 1806 war das Herzogtum Württemberg das größte protestantische Territorium im ansonsten katholischen Südwesten Deutschlands. Erst als dann Württemberg Königreich wurde und von Napoleons Gnaden große katholische Gebiete (Oberschwaben) zugeschlagen bekam, endete diese einheitlich religiöse Struktur.
Deshalb wurde von Seiten der Obrigkeit besonders streng auf die Einhaltung des lutherischen Bekenntnisses geachtet, was oft zu einem gewissen Dogmatismus in der Theologie führte. Als Gegenbewegung etablierte sich der Pietismus, dessen wichtigstes Kennzeichen bis heute die persönliche Frömmigkeit ist.
Das Verhältnis von offizieller Landeskirche und Pietisten war oft schwierig, allerdings gab es auf beiden Seiten immer wieder Menschen, die Verständnis für den jeweils anderen hatten, so dass sich die meisten pietistischen Gruppen innerhalb der Landeskirche entwickelten.Viele Kirchengemeinden im altwürttembergischen Raum haben bis heute eine pietistische Prägung.
Seit dem späten 19. Jahrhundert entstanden auch in bisher römisch-katholischen Gebieten (Süd-)Württembergs evangelische Gemeinden.

3 Unter Absolutismus versteht man die monarchistische Regierungsform des 16. - 18. Jahrhunderts. Die Herrschaftsgewalt im Staat liegt weitgehend beim Monarchen. Der Herrscher setzt seinen Willen mit Hilfe einer von ihm abhängigen Bürokratie, einer ihm ergebenen Armee und einer ihm unterstehenden obersten Gerichtsbarkeit durch, in der er ohne die Mitwirkung einer Volksvertretung, wie der Stände und ohne Kontrollorgan regiert und die ungeteilte Herrschaftsgewalt in seinen Händen vereint.

4 Der Polnischer Erbfolgekrieg, bezeichnet die Kriege um die Thronfolge Polens nach dem Tod Augusts II. (des Starken) († 1. Februar 1733). Während Österreich und Russland nach einigem Zögern die Bestrebungen des neuen sächsischen Kurfürsten, August des Starken Sohn Friedrich August II. unterstützen, wollte Frankreich den polnischen Exkönig Stanislaus I. Leszczyński (den Schwiegervater Ludwigs XV.) als König einsetzen.

5 Landschaft: hier: der dem Landesherrn, insbsondere bei der Schuldenverwaltung, gegenübertretende (oft auch von diesem initiierte) Zusammenschluss aller Landesstände oder, wo Geistlichkeit und Adel fehlen, auch nur der in Städten, Ämtern u. ä. verfassten Untertanen. [Deutsches Rechtswörterbuch (DRW)]

6 Dragoner - ursprüngliche Bezeichnung für berittene Infanterie, dann leichte Reitertruppe.

7 Merkantilismus ist ein nachträglich verliehener Begriff für verschiedene wirtschaftspolitische Ideen und Politiken, die sowohl geldpolitische als auch handels- und zahlungsbilanztheoretische, aber auch finanzwirtschaftliche Ansätze hatten.
Zwischen der Reformation und bis Mitte des 18. Jahrhunderts war der Merkantilismus der Inbegriff wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Mit dem Bedürfnis der absolutistisch regierten Staaten nach wachsenden, sicheren Einnahmen zur Bezahlung der stehenden Heere, des wachsenden Beamtenapparats und nach repräsentativen Bauten und Mäzenatentum der Fürsten entwickelte sich in den verschiedenen europäischen Staaten eine geprägte wirtschaftspolitische Praxis, der eine geschlossene wirtschaftstheoretische und -politische Konzeption fehlte. Man kam zu der Überzeugung, die Mehrung von Wohlstand und Reichtum kann nur durch der Menschenhände Arbeit gewonnen werden.

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