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Die Kirchenreformen der württembergischen Landeskirche1

(Teil 1 von 2)

 

Der Kirchenbesuch
Kirchgang im Schwarzwald

der sonntägliche Kirchgang bedeutete häufig mehr als die Bekräftigung des religiösen Glaubens, das Hören der Predigt und den Empfang der heiligen Kommunion.

Besonders denen, die weiter auseinander lebten, ermöglichte der Gottesdienst das, was man heute als Kontaktknüpfen oder „Networking“ bezeichnen würde. In einem Zeitalter ohne moderne Telekommunikation und Transportmittel waren Gottesdienste ein wesentliches Element der Gemeinschaftsbildung.

Kirchgang
Kirchgang

 

nach dem Kirchgang
nach dem Kirchgang

Gleichzeitig jedoch stellten die Gottesdienste auch ein Mittel zur Ausübung sozialer Kontrolle dar. Verhaltensregeln wurden häufig in den Predigten vorgebracht und sozialer Druck spielte eine Rolle beim Besuch des Gottesdienstes, da die Gewohn-heiten eines Gemeindemitglieds hinsichtlich des Kirchenbesuchs mit Sicherheit von Seinesgleichen beobachtet wurden.

 

Der absolutistische König Friedrich I. von Württemberg war wenig an den überlieferten Formen der Volksfrömmigkeit interessiert und zeigte wenig Verständnis für die aufkommenden pietistischen Strömungen.

Schon am 2. Januar 1806, also einen Tag nach der Annahme der Königswürde, erließ Friedrich ein Generalreskript, in dem er seinen Untertanen ihre persönliche Freiheit und die Sicherheit ihres Eigentums garantierte, gleichzeitig aber auch die Eingliederung des Kirchenrats in das neugeschaffene Finanz-Departement bestimmte.

Der Staat war nun nicht mehr, wie seit der Großen Kirchenordnung vom Mai 1559 in die Kirche integriert, sondern die Kirche war ein Organ des Staates.

Diese staatskirchlich verordneten Eingriffe in das kirchliche Leben zwangen die religiösen "Andersdenker" in die Opposition .

 

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1Evangelische Landeskirche in Württemberg = Herzog Ulrich von Württemberg setzte 1534 in seinem Herzogtum Württemberg die Reformation durch. Dies war das Gründungsjahr der Evangelischen Landeskirche. Der Herzog, später der jeweilige König von Württemberg, war damit auch Oberhaupt der Landeskirche als so genannter summus episcopus, d.h. der jeweilige Herrscher vereinigte die weltliche und die kirchliche Macht.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg war damit von Anfang an eine Lutherische Kirche, doch ist die Gottesdienstform der reformierten Tradition verpflichtet, d.h. die Gottesdienstfeier wird schlicht abgehalten (Oberdeutsche Form). Die in lutherischen Gemeinden sonst übliche Form der Lutherischen Messe wird nur selten praktiziert.
Eine Besonderheit der Württembergischen Landeskirche ist die enge Verbindung mit dem Pietismus. Bis 1806 war das Herzogtum Württemberg das größte protestantische Territorium im ansonsten katholischen Südwesten Deutschlands. Erst als dann Württemberg Königreich wurde und von Napoleons Gnaden große katholische Gebiete (Oberschwaben) zugeschlagen bekam, endete diese einheitlich religiöse Struktur.
Deshalb wurde von Seiten der Obrigkeit besonders streng auf die Einhaltung des lutherischen Bekenntnisses geachtet, was oft zu einem gewissen Dogmatismus in der Theologie führte. Als Gegenbewegung etablierte sich der Pietismus, dessen wichtigstes Kennzeichen bis heute die persönliche Frömmigkeit ist.
Das Verhältnis von offizieller Landeskirche und Pietisten war oft schwierig, allerdings gab es auf beiden Seiten immer wieder Menschen, die Verständnis für den jeweils anderen hatten, so dass sich die meisten pietistischen Gruppen innerhalb der Landeskirche entwickelten.Viele Kirchengemeinden im altwürttembergischen Raum haben bis heute eine pietistische Prägung.
Seit dem späten 19. Jahrhundert entstanden auch in bisher römisch-katholischen Gebieten (Süd-)Württembergs evangelische Gemeinden.

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