Du bist in: Württemberg > Würtemberg im 19. Jahrhundert

Die Lindl-Auswanderer

(Teil 3 von 4)

 

Auswanderer aus dem Oberamt Heidenheim
Auswanderer aus dem Oberamt Heidenheim

die Werbung für die Auswanderung nach Süd-russland war ein voller Erfolg.

Die Anhänger Lindls aus dem Raum Giengen meldeten sich sehr zahlreich beim Oberamt Heidenheim, während im bayerischen Schwaben aus Günzburg, Gundelfingen, Aislingen, Glött, Haunsheim, Peterswörth, Offingen, Bächingen/Brenz, Burgau, Lauingen und Gund-remmingen mehrere hundert Gesuche bei den zuständigen Landgerichten eingingen.

 

674 seiner katholischen bayerischen Anhänger und 141 deren evangelischen württem-bergischen Nachbarn1 wollten ihrem verehrten Prediger nachfolgen und mit ihm in einer Kolonie leben.

die Auswanderer verabschieden sich von Freunden und Verwandten
der Abschied der Auswanderer

Das Königreich Württemberg2 machte den Auswanderungs-willigen keine Schwierigkeiten, da die Landständische3 Verfassung von 1815 seinen Untertanen Auswanderungs-freiheit gewährte, während das Königreich Bayern mit allen Mitteln versuchte, seine Untertanen von der Auswanderung abzuhalten4.

Aus diesem Grund konnten dann am 11. August 1820 (andere Quellen am 30. August 1820) nur 87 pietistische Anhänger (in anderen Quellen 74) aus dem Württembergischen dem Ruf Lindls folgen.

 

Unter den ersten Auswanderern befand sich auch mein Ururururgroßvater väterlicherseits Georg Bosch.

In einer für das 19. Jahrhundert typischen Weise wurde bei Familien nur der Name des Mannes als Haushaltsvorstand erfasst.

 

Liste der württembergischen Auswanderer aus dem Jahr 18201

Nachname

Name

Geburtsdatum

Geburtsort

Bemerkungen

BaumgärtnerGeorg Balthasar28.1.1778Oberkochen (Aalen)Nagelschmied aus Giengen (Heidenheim); mit Frau Elisabeth Christine Maylander (*21.4.1784) und adoptierter Tochter Margaretha (*1811)
BoschGeorg20.8.1773Asselfingen (Ulm)Zimmermann; (mit Frau, gleichzeitig auch Cousine 2. Generation,  Anna Katharina Bosch (*21.10.1769) und Töchter Apolonia (*27.9.1795), Jacobina (*13.11.1798), Magdalena (*6.12.1807), Barbara (*1812)
BraunChristian7.3.1775Asselfingen (Ulm)Taglöhner, Maurer, Dachdecker; mit Frau Ursula Wagner (*9.12.1776 †7.1.1860) und Tochter Angelica (*13.11.1817)
BüchelePaul14.7.1762Brenz (Heidenheim)Weber; mit Frau Elisabeth Allgai(y)er (*31.12.1775), 4 Kindern Maria (*5.1.1807), Bernhard (*21.9.1808), Ursula (*22. 9.1810), Elisabeth (*12.3.1813) und Bruder Johann Georg Büchele (*1799)
DeisingerMartin14.2.1772Giengen (Heidenheim)Schuster; mit Frau Sara Böck (*4.5.1772 in Bissingen) und 3 Kindern Ursula (*22.2.1802), Johann Bartholomäus (*13.6.1803), Margaretha (*25.9.1809)
EckertChristoph Friedrich1790Stetten (Waiblingen)Weingärtner; mit Frau Christina Barbara Knauer (*1791) und Kind Immanuel Friedrich (*1815)
GäßlerChristian1.4.1788Sontheim a.d. Brenz (Heidenheim)Metzger; mit Frau Maria Bidenbach (*7.2.1793) und Kinder Andreas (*2.6.1812), Agathe (*20.9.1815), Johann Georg (*5.6.1817)
GeigleFriedrich7.12.1777Hermaringen (Heidenheim)mit Frau Anna Catherine Fetzer (*12.4.1777) und 7 Kinder: Anna Katharina (*15.8.1802), Johann Martin (*7.8.1803), Christian (*19.10.1807), Jakobina (*14.12.1811), Margaretha (*15.1.1814), Magdalena (*23.11.1815), Anna Barbara (*17.11.1818)
HommelGeorg12.9.1752Brenz (Heidenheim)Sattler; mit Frau Anna Barbara Frohmeyer (*3.9.1763) und 2 Kinder: Anna (*1797), Matthäus (*14.2.1802)
KeckHeinrich Albert4.10.1777Hermaringen (Heidenheim)Weber; mit Frau Anna Margaretha Birzel (*1780) und SohnJohann Martin (*20.6.1803)
MackJohannes9.3.1778HeidenheimLehrer; mit Frau Sabine Justine Penzold (*7.4.1772) und Kind Christiane Rosine (*16.10.1813)
MackSalomon16.8.1779Brenz (Heidenheim)(Bruder des Johannes Mack) Seckler2; mit Frau Maria Jakobina Hahn (*16.6.1772) und Kind Walburga (*22.3.1805)
MaierFriedrich Giengen (Heidenheim)Weber;
MautzPhilipp Heinrich1781 Ziegler aus Giengen (Heidenheim) mit Frau Ottilie Burglehner (*1794) und Töchter Katharina (*1811) e Anna Maria (*1814)
NilleLeopold31.5.1778 (+12.6.1836)Weißenstein (Göppingen)Krughakter; Kolonnenführer mit Frau Franziska Thierer (*13.8.1788) und Adoptivtochter Victoria Baulach (*1791)
OttmannJohann Martin Giengen (Heidenheim)Gärtner
SchneiderJohannes Giengen (Heidenheim) 
SteudleVitus28.1.1770Herbrechtlingen (Heidenheim)Maurer; mit Frau Ester Dorothea Rahn (*25.1.1768) und Kinder Gottlieb Friedrich (*1803), Georg David (*8.12.1806), Johann (*13.10.1810)
WaldenmaierJakob3.12.1784Sontheim a.d. Brenz (Heidenheim)Zimmerman; mit Frau Rosina Griner e 3 Kindern: Barbara (*1813), Georg (*1815), Anna (*1816)

 

Leiterwagen
ein mit Oschen bespannter Leiterwagen

Treffpunkt der Auswanderer war wahrscheinlich Giengen, wo der Organisateur der Werbung, der Kaufmann Christian Friedrich Werner, lebte. Am 11. August 1820 (andere Quellen am 30. August 1820) war es so weit. Auf verdeckten, teils mit Pferden, teils mit Ochsen bespannten Leiterwagen führte die Reise durch Österreich, Böhmen Mähren, Schlesien, Galizien, Lemberg, Brody, über Radywyliw nach Odessa in Russland.

Von Süddeutschland nach Odessa zogen sie nicht auf dem kürzesten Weg, sondern mussten Städte passieren, die in ihren Pässen verzeichnet waren.

 

der Auswanderungsweg der Württemberger im Jahr 1820
der Auswanderungsweg der Württemberger im Jahr 1820

 

Am 3. Oktober 1820 trafen die ersten pietistischen Familien aus Württemberg, unter der Führung von Leopold Nille, in Odessa ein.

Auch wenn die Einwanderer gesund an Ort und Stelle angekamen, erkrankten sie bald an Ruhr und viele wurden dahingerafft.

 

barra

indietro 1 2 3 4 avanti

1 Eine im Juni 1820 angefertigte Liste der Württemberger, die Lindl nach Russland folgen wollten, enthält namentlich 126 Personen, 106 davon aus dem Oberamt Heidenheim und 16 aus dem Oberamt Ulm (HstA Stuttgart, E 146/1 Bü 1631, Nr. 3).

2Auswanderungsbedingungen in Württemberg = Wenn jemand mit offizieller Erlaubnis aus dem Königreich Württemberg auswandern wollte, musste gewährleistet sein, dass sämtliche Schulden bei den Gläubigern abbezahlt waren. Deshalb musste er entweder eine gewisse Frist abwarten oder einen Bürgen stellen.
Die Erlaubnis zur Auswanderung wurde in den Jahren 1816 bis 1820 im "Königlich-Württembergischen Staats- und Regierungsblatt" veröffentlicht. Wenn die auswanderungswillige Person keinen Bürgen stellen konnte, enthielt das "Staats und Regierungsblatt" bis zu drei Aufrufe an eventuelle Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden. Ansonsten konnte sich der Gläubiger an den Bürgen wenden.
Sämtliche staatlichen Behörden bezogen das "Staats- und Regierungsblatt" und ließen die Ausgaben jährlich zum Buch binden. Bereits 1820 erschienen die Auswanderungsanzeigen nicht mehr im "Staats- und Regierungsblatt" selbst, sondern in einer eigenen Beilage, dem "Intelligenzblatt". Nach 1820 wurde dieses "Intelligenzblatt" den "Regierungsblättern" nicht mehr beigebunden.
Mit der Genehmigung zur Auswanderung konnte der Auswanderungswillige sein Bürgerrecht in Württemberg aufgeben und das Land verlassen. Selbstverständlich gab es auch Fälle, in denen Menschen ohne Genehmigung auswanderten. Diese Personen sind in den "Staats- und Regierungsblättern" nicht erfasst.
In einer für das 19. Jahrhundert typischen Weise wurde bei Familien nur der Name des Mannes als Haushaltsvorstand erfasst.

3landständisch = den Landständen gehörig; ein Stand (Gesellschaftsklasse) eines Landes oder einer Provinz, der das Recht hat, auf Landtagen (Versammlung der Landständ) zu erscheinen und daselbst über Landesangelegenheiten zu stimmen.

4 Die "Verführung" der Staatsuntertanen zur Auswanderung galt nach dem Bayerischen Strafgesetzbuch als Staatsverbrechen und aufgegriffenen Werbern drohte ab 1815 anstatt der sofortigen Hinrichtung, immerhin noch eine zwei- bis acht-jährige Freiheitsstrafe geahndet werden.
Die Bundesakte des Deutschen Bundes vom 8. Juni 1815 gewährte jedem Untertanen, so auch dem im Königreich Bayern explizit das Recht zur Auswanderung, sofern der Auswanderung nicht genau ausgeführte Gründe entgegenstanden, wie nicht abgegoltener Militärdienst oder Personen, die in Gerichtsverfahren verwickelt oder verurteilt waren.
Jede Auswanderung bedurfte der ausdrücklichen Genehmigung durch die Regierung und wurde nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Erlaubnis erst Jahre nach der erfolgten Auswanderung erteilt wurde. Auswanderer, die ihre Heimat ohne Erlaubnis verlassen hatten, durften nie wieder nach Bayern zurückkehren und es wurde immer wieder angedroht, dass bei Verstoß gegen das Auswanderungsverbot die zurückgelassenen Güter vom Staat konfisziert werden konnten.
Von den Auswanderungswilligen wurde gemäß der Verordnungen seitens der bayerischen Behörden unter anderem folgendes verlangt: eine gutachterliche Stellungnahme der Gemeinde zum Auswanderungsgesuch, Taufschein (zwecks Nachweis des Alters), Nachweis über den Familienstand, Nachweis über die Zahl der Kinder, deren Geschlecht und Alter, Bestätigung über die Aufnahme und Ansässigmachung des Auswanderungswilligen im Auswanderungszielland, Vertrag über den Transport ins Auswanderungszielland, Nachweis der Vermögensumstände des Auswanderungswilligen und des durch die Auswanderung zu exportierenden Vermögens, Bezahlung der Nachsteuer in der Höhe von üblicherweise 10% des zu exportierenden Vermögens, Ärarzeugnis (Bestätigung, dass sämtliche Schulden beglichen wurden), Kreishilfskassenzeugnis (Nachweis, dass keine unterstützungsbedürftigen Verwandten zurückbleiben, die der Allgemeinheit finanziell zur Last fallen würden), Bestätigung, dass keine gerichtliche Untersuchung besteht, bei Auswanderungswilligen männlichen Geschlechts im Alter von 16 bis 36 Jahren der Nachweis, die Militärpflicht bereits abgeleistet zu haben, Bezahlung der Redimierungs-, später Reluitionssumme für Auswanderer männlichen Geschlechts, die noch nicht das Militärpflichtalter erreicht hatten (es musste die Summe von 180 Gulden hinterlegt werden, die der Auswanderer zurückerhielt, wenn er später entweder der Einberufung in die bayerische Armee Folge leistete oder von der Ableistung der Militärpflicht befreit wurde), Bezahlung von 5 Gulden in die Militärwitwenkasse, Nachweis der Veröffentlichung des Auswanderungsgesuchs.

5 Seckler = ausgestorbener Beruf; ein Seckler verfertigte lederne Hosen, gesteppt und ungesteppt;

Creative Commons Namensnennung- nicht kommerziell 3.0
2007 - 2018
CSS validoHTML valido