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Die Juden im Heiligen Römischen Reich

(Teil 3 von 3)

in der Judengasse
in der Judengasse

mit Beginn des 11. Jahrhunderts wurden Juden immer öfter nicht nur als Feinde des wahren Glaubens, sondern auch als innenpolitische Verbündete äußerer Feinde des Heiligen Römischen Reiches dargestellt, was ihr friedliches Zusammenleben mit den Christen bedrohte.

 

Juden galten nun als rechtlose Fremde, die man strengen wirtschaftlichen Einschränkungen unterwarf. Sie durften keinen Boden erwerben, keinen Handel treiben und kein Handwerk ausüben; die Zünfte1, die nur Christen aufnahmen, blieben ihnen verschlossen. Dagegen verpflichtete man die Juden zum Darlehensgeschäft. Die Kirche hatte den Christen ja verboten, gegen Zinsen Geld auszuleihen:

"Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht. Dem Fremden magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem Geschäft deiner Hand in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen."

Deuteronomium 23,20-21;

 

Sicher hätten Christen selber gerne Zinsen genommen, wäre ihnen dies nicht durch das kanonische Recht (den kirchlichen Rechtsbestimmungen gemäß) verboten gewesen.

 

Mit der Entwicklung der Städte wuchs auch der Geldbedarf. So übten die Juden in den Zeiten des Übergangs vom Tauschhandel zur Geldwirtschaft eine wichtige wirtschaftliche Funktion aus.

 

Sie lebten in abgeschlossenen Bezirken, die aber noch keine Gettos2 waren und nicht als Diskriminierung, sondern als Privileg angesehen wurden.

Mikwe: rituelles Tauchbad
Mikwe: rituelles Tauchbad

Das Leben in abgeschlossenen Bezirken entsprach auch einem eigenen Bedürfnis, da man nahe der Synagoge sein wollte und eine Sabbatgrenze (Eruv) brauchte, die auch nur eine rote Schnur sein konnte. Auch die gesamte Infrastruktur einer jüdischen Gemeinde gab es in der jüdischen Gasse mit Koscherfleischhauer, rituellem Tauchbad (Mikwe) usw..

 

Die Juden mit ihren befremdenden Bräuche wirkten auf die im Gemeinwesen fest verwurzelte Bevölkerung irgendwie unheimlich. Wer andersartig in seinem Wesen ist, sich ungewohnt verhält, wirkt befremdet. Der Fremde wird abgelehnt, verurteilt, oft bekämpft. Dem Andersartigen begegnet man misstrauisch, vielfach feindselig. Dies alles ließ und lässt noch heute Hass entstehen.

Außerdem gingen die Juden mit ihren Schuldnern sicher nicht immer zimperlich um. Die Verachteten (Juden) fanden keinen Grund, ihre hasserfüllten Peiniger (Christen) zu schonen. So kam es während des Mittelalters in ganz Europa immer wieder zu Judenmetzeleien und Austreibungen. Brauchten die Städte wieder Geld, so rief man die Juden zurück, und das üble Spiel begann von neuem.

 

Der Bischof Rüdiger Hu(o)zmann von Speyer gewährte 1084, nur wenige Jahre vor dem 1. Kreuzzug mit seinen Judenpogromen, den Juden das folgende Privileg 3:

. . . Als ich den Weiler Speyer in eine Stadt verwandelte, glaubte ich die Ehre unseres Ortes noch zu vergrößern, wenn ich die Juden vereinigte. Ich brachte sie darauf außerhalb der Gemeinschaft und des Zusammenwohnens mit den übrigen Bürgern, und damit sie durch den Übermut des Pöbels nicht beunruhigt würden, umgab ich sie mit einer Mauer. ….... Innerhalb ihres Wohnplatzes und außerhalb bis zum Schiffshafen und in dem Schiffshafen selbst gab ich ihnen das Recht, Gold und Silber frei zu wechseln und alles Beliebige zu kaufen und zu verkaufen, und eben dieselbe Freiheit gab ich ihnen durch die ganze Stadt. Außerdem gab ich ihnen vom Besitztum der Kirche einen Begräbnisplatz mit erblichem Rechte. ….... Nächtliche Wachen, Verteidigungen, Befestigungen haben sie bloß innerhalb ihres Gebietes zu verrichten, die Verteidigungen aber gemeinsam mit den Sklaven; Ammen und Knechte auf Miete können sie von den Unsrigen haben, geschlachtetes Vieh können sie, wenn es ihnen nach ihrem Gesetze zu essen nicht erlaubt ist, an Christen verkaufen, und den Christen ist es zu kaufen erlaubt. Endlich als Gipfel meines Wohlwollens habe ich ihnen Gesetze verliehen, die besser sind, als sie das jüdische Volk in irgendeiner Stadt des deutschen Reiches besitzt. . . . Speyer, 13. September 1084.

 

Dieses Privileg wurde von Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1090 bestätigt bekräftigt und erweitert, indem er Zwangstaufen verbot.

 

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1 Zünfte = im Hochmittelalter in allen europäischen Städten entstandene Organisationsform von Handwerkern, die an demselben Ort dasselbe Handwerk betrieben.

2 Die Bezeichnung Ghetto wurde zum ersten Mal im 16. Jahrhundert verwendet und stammt wahrscheinlich vom venezianischen Gettore ab, die volkstümliche Bezeichnung für den Stadtteil Cannaregio, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich eine Gießerei befand (Dialektbegriff ghèto von getto = Guss). Andere Herleitungen beziehen sich auf das hebräische Wort Get = „abtrennen“.
Bei Sonnenuntergang wurde das Ghetto verschlossen, so dass die jüdischen Bewohner nur tagsüber freien Zugang zu den übrigen Stadtbezirken hatten. Im Ghetto durften keine Christen wohnen, außerhalb des Ghettos keine Juden. Im christlichen Teil durften die Juden keine Läden besitzen. Um einer Überfüllung des Ghettos vorzubeugen, durfte nur das älteste Kind einer jüdischen Familie heiraten.
Das erste Ghetto in Deutschland entstand 1462 in Frankfurt.

3 Judenschutzprivilegien = wiederholt wurden die Juden in ihrer Gesamtheit oder bestimmte jüdische Gruppen im besonderen durch fränkische und römisch-deutsche Könige und Kaiser oder Bischöfe “privilegiert“, d. h. sie bekamen Urkunden ausgestellt, in denen sie auf besondere Art und Weise in Schutz gestellt wurden.
Die wichtigsten Judenschutzprivilegien des Mittelalters waren:
der Schutzbrief (Praeceptum Iudeorum) Kaiser Ludwigs des Frommen für Rabbi Domatus und seinen Neffen Samuel (vor 825)
der Freiheitsbrief des Speyerer Bischofs Rüdiger Hutzmann für die Speyerer Juden von 1084
das Privileg Kaiser Heinrichs IV. für die Juden von Speyer von 1090
das Privileg Kaiser Friedrich I. Barbarossa für die Juden von Worms von 1157 (stellt eine fast wörtliche Wiederholung des Privilegs für die Juden von Speyer dar)
das Privileg Kaiser Friedrichs II. für die Juden in ihrer Gesamtheit von 1236.

 

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