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Ignaz Lindl - der Gründer von Sarata

 

Ignaz Lindl
Ignaz Lindl

ignaz Lindl kam am 3. Oktober 1774 in Baindlkirch bei Ried in Bayern zur Welt. 1799 wurde er zum Priester geweiht und erhielt die Kaplanstelle in seinem Heimatdorf Baindlkirch.

 

Um 1812 fand Lindl Anschluss an die Allgäuer Erweckungsbewegung um Martin Boos (1762-1825) und Johannes Goßner (1773-1858).

 

Juliane von Krüdener
Juliane von Krüdener

Beeinflusst von der Mystikerin1 Baronin Juliane von Krüdener verkündete der charismatische Lindl, dass sich am 18. Juni 1836 auf dem Berg Ararat im Kaukasus, wo nach biblischer Überlieferung (1. Mose 8,4) nach der Sintflut die Arche Noah gelandet war, das Weltende eintreten, sich die Wiederkunft Jesu Christi vollziehen und das Tausendjährige Friedensreich seinen Anfang nehmen werde. Jeder, der das Himmelreich gewinnen wolle, müsse der Wiederkunft Christi persönlich beiwohnen und an den "Bergungsort" in den Kaukasus ziehen.

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In Lindls Pfarrei Baindlkirch entstand, von staatlichen und kirchlichen Stellen argwöhnisch beobachtet, unter der Landbevölkerung eine religiöse Bewegung, die sich schnell ausbreitete. Sonntags strömten angeblich bis zu mehreren tausend Menschen zu Lindls Predigten, in denen er, in Anbetracht der zu erwartenden Ereignisse, auf Bekehrung und Heiligung drängte.

Menschenauflauf
Menschenauflauf

 

Mit dem Vorwurf eine mystische1 Sekte gegründet zu haben, wurde er 1818 nach Gundremmingen, nahe der württembergische Grenze, strafversetzt.

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collegia pietatis
collegia pietatis

Auf der württembergischen Seite der Donau fand der katholische Priester Ignaz Lindl unter den pietistischen Privatversammlungen (Collegia Pietatis, Konventikeln, Bibelstunden, einfach "Stunden" genannt) mit seiner chiliastisch-apokalyptischen2 Vorstellung regen Zuspruch. Seine einfache Sprache hinterließ bei den Menschen den Eindruck, verstanden zu haben und verstanden worden zu sein.

 

Erneut drohte Lindl die Entfernung von seiner Pfarrstelle. Mit den Worten, hier haben wir keine Zukunft, uns bleibt nur die Auswanderung3, ließ er die Hoffnung durchschimmern, Russland werde ihn und seine Anhänger aufnehmen und ihnen Land zur Ansiedlung zuteilen.

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Alexander I.
Alexander I.

Im Oktober 1819 war es dann soweit. Lindl folgte einem Ruf des schwärmerisch4-herzensfrommen Zaren Alexander I., die Pfarrstelle an der katholischen Malteserkirche in St. Petersburg zu übernehmen, um von dort aus die Auswanderung bayerischer und württembergischer Kolonisten nach Russland vorzubereiten.

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Lindl traf am 15. November 1819 in St. Petersburg ein, wo er von Fürst Golizyn, dem Minister für Geistliche Angelegenheiten, herzlich empfangen wurde und der vor Beginn der Unterhaltung Lindl bat, ihm den geistlichen Segen zu geben.

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Alexander I.
Alexander I.

Eine große Auszeichnung wurde ihm zuteil, als er zu einer Audienz beim Kaiser vorgelassen wurde.

Der Zar empfing Lindl in großer Demut, kniete vor ihm nieder und sprach: "Vater, segen Sie mich!"

Bei dieser Gelegenheit unterbreitete Lindl seinen Plan, eine eigene Gemeinde in Russland zu gründen.

 

674 seiner bayerischen Anhänger und 141 deren württembergischen Nachbarn wollten ihrem verehrten Prediger nachfolgen und mit ihm in einer Kolonie leben. "Es handle sich durchwegs um ordentliche, ehrbare und gesittete Menschen, die sich mit Fleiß ihrem Gewerbe widmeten", erklärte Lindl. "119 von ihnen seien wohlhabend, 455 wenig vermögend und 241 arm, doch verständen sich alle auf die Landwirtschaft." (Wenn man sich allerdings die Auswanderungsliste näher ansieht, waren die wenigsten von ihnen Bauern.)

Der Zar befahl, das Vorhaben dieser "geistlichen, jeder Verehrung würdigen Person" zu erfüllen.

aus: Detlef Brandes: Von den Zaren adoptiert, Oldenbourg, München, 1993, S.106;

 


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Im April 1820 wurde Lindl zum Probst und Visitator der katholischen Kirchspiele in und um Odessa ernannt.

Vor seiner Abreise aus St. Petersburg ließ sich Lindl von seinem Nachfolger Johannes Goßner mit seiner Haushälterin Elisabeth Völk vermählen, mit der Begründung, dass er mit Zustimmung und nach dem Willen Gottes den Zölibat breche.

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1 Mystik = (griechisch: mystikós "geheimnisvoll") in der Religionsgeschichte eine Grundform religiösen Lebens, die durch Nachsinnen die Trennung zwischen menschlichem Ich und göttlichem Sein im Erlebnis der Erkenntnis Gottes aus Erfahrung (Cognitio Dei experimentalis) bzw. der Vereinigung (Unio mystica) aufzuheben sucht und zumeist als höchste Stufe der Frömmigkeit gilt.
Askese (streng enthaltsame und entsagende Lebensweise zur Verwirklichung sittlicher und religiöser Ideale) und Kontemplation (meditatives Nachdenken über die religiöse Wahrheit) dienen der Vorbereitung auf dieses Ziel. In ihren Ausdrucksformen durch den Mystiker kann sie gefühlsbetont, sinnlich-rauschhaft oder intellektuell-spekulativ sein.
Bedeutende Ausprägungen der Mystik sind in China der Daoismus, in Indien die Erlösungslehre des Vedanta (Shankara), in Japan der Zen-Buddhismus, im antiken Griechenland die Mysterienkulte, in der Spätantike der Neuplatonismus, im Judentum der Chassidismus und die Kabbala sowie im Islam der Sufismus. Im Christentum erscheint Mystik bereits im Neuen Testament v. a. bei Paulus und Johannes als Christus-Mystik, deren Ziel die unmittelbare Einheit mit Jesus Christus ist; seit dem Mittelalter oft in der Form der Passionsmystik, als Mitleiden mit Jesus.
Die deutsche Mystik erlebte in der Frauenmystik des 12./13. Jahrhunderts (Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Gertrud von Helfta) und der philosophisch-spekulativen Mystik des 13./14. Jahrhunderts (Meister Eckhart, H. Seuse, J. Tauler) ihren Höhepunkt. Heute kann v. a. das zunehmende Interesse für Esoterik und verschiedene Formen östlicher Religiosität in den modernen Industriegesellschaften als Mystik im Sinne von Verlangen nach Transzendenz gedeutet werden.

2 chiliastisch-apokalyptisch = im ursprünglichen Sinn Glauben an die Wiederkunft Jesu Christi und das Aufrichten seines tausend Jahre währenden Friedensreichs (Chiliasmus), einem irdischen Paradies, verbunden mit dem nahen Ende der gegenwärtigen Welt (Apokalypse).

3 Quelle = Ignaz Lindl: Leitfaden zur einfachen Erklärung der Apokalypse, Berlin, 1826;

4 Schwärmer = abfällige Bezeichnung für radikale Gruppen (Spiritualisten) in der Reformationszeit. Luther bezeichnete alle, die nicht mit seinem Verständnis der Bibel und seiner Lehre übereinstimmten, als "Schwärmer" oder "Schwarmgeister". Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung Anhänger reformatorischer Bewegungen als "Schwärmer" bezeichnet, also diejenigen die sich als unmittelbar vom Heiligen Geist geführt verstanden, den Anspruch erhoben, die reformatorischen Glaubenserkenntnis radikal zu verwirklichen und diesen "göttlichen Auftrag" als Offenbarungsquelle neben bzw. über die Bibel stellten und den von ihnen abgelehnten Strukturen und Formen der Kirche und des Gottesdienstes eigene, "dem Heiligen Geist gemäße" Formen entgegensetzen.

 

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