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Die deutschen Siedlungen im 19. Jahrhundert

Im Schwarzmeergebiet

die Kolonien im Schwarzmeergebiet mussten bei ihrer Gründung die gleichen Schwierigkeiten überwinden wie die anderen Kolonien in Russland.

Auswanderungsweg der deutschen Kolonisten

 

Ihre Entwicklung verlief jedoch erfolgreicher, da ihre Anfangsbedingungen günstiger waren:

So bekam jede Familie im Schwarzmeergebiet bis zu 65 ha Land. Das Land wurde Privatbesitz des jeweiligen Bauern und wurde ungeteilt an den ältesten Sohn vererbt. Auch wenn einige Höfe halbiert wurden, waren sie doch leistungsfähig.

 

Das Geschenk der Krone

Im Schwarzmeergebiet wurden russische Offiziere, Beamte und Adlige auch mit Ländereien für ihre Dienste belohnt. Diese Ländereien mussten aber binnen 10 Jahre besiedelt und wirtschaftlich erschlossen sein, sonst fielen sie wieder an die Krone zurück oder wurden vom Staat zurückgekauft.

Da diese Ländereien mangels einheimischer bäuerlicher Bevölkerung nicht bearbeitet werden konnten, wurden hauptsächlich ausländische Kolonisten dort angesiedelt.

 

Die Tochterkolonien

Da es in den Mutterkolonien wegen Kinderreichtum bald eng wurde, konnten die Kolonisten von russischen und ukrainischen Gutsbesitzern neue Ländereien pachten oder erwerben.

 

Im Wolgagebiet

An der Wolga gab es diese Möglichkeit nicht. Dort war die Bevölkerungsdichte höher und die Gutsbesitzer hatten das uneingeschränkte Besitzrecht über ihr Land. In diesen Kolonien war das Land Gemeindeeigentum und sollte allen Gemeindemitgliedern die gleichen Bedingungen gewährleisten. Daraus ergab es Nachteile, die die wirtschaftliche Entwicklung bremsten.

Werbung Die Kolonien Neurusslands profitierten auch davon, dass dort von Anfang an Handwerker ihren Beruf ausüben durften. Sie fertigten nicht nur Gebrauchsgegenstände und Kleidung, sondern auch landwirtschaftliche Geräte und Fuhrwerke. Aus einer Reihe dieser Handwerksbetriebe gingen Fabriken für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte hervor.

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Der Status der deutschen Kolonisten

Die Kolonisten leisteten nach ihrem Eintreffen in Russland den Untertaneneid, sie wurden russische Untertanen, aber keine Leibeigene.

Die hoch gelobte Selbstverwaltung erfolgte nach Regeln, die auch für die wenigen russischen Staatsbauern1 galten. Außer den aus eigener Mitte gewählten Dorfschulzen, Oberschulzen, deren Beisitzern und den Ältesten für je zehn Höfe (Desjatskij) übten Kolonieaufseher des Fürsorgekontors, später des Fürsorgekomitees die Aufsicht über die Kolonien aus. Außer der niederen Gerichtsbarkeit fielen alle Streit- und Strafsachen in die Zuständigkeit der allgemeinen Justiz. Natürlich war die rechtliche Lage der Kolonisten ungleich besser als die der leibeigenen Bauern. Sie entsprach, mit wenigen Ausnahmen, dem Status der Staatsbauern, denn Kolonisten galten als solche.

 

Bis 1871 konnten die Deutschen in Russland, trotz extrem schwieriger Ausgangsbedingungen in den Kolonien ihr traditionelles Leben mit deutschen Kirchen, Schulen, Sitten und Gewohnheiten aufrechterhalten.

Das Jahr 1871 brachte aber eine entscheidende Wende in der Geschichte der russlanddeutschen Kolonisten: Zar Alexander II. nahm aus innen- und außenpolitischen (deutsch-französischer Krieges (1870-1871), Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871) Gründen die Privilegien der Kolonisten, die ihnen ursprünglich für ewige Zeiten garantiert worden waren, zurück. Als letztes Privileg wurde 1874 die Befreiung der Kolonisten vom Militärdienst aufgehoben. Damit waren die Deutschen im Russischen Reich allen anderen ethnischen Gruppen rechtlich gleichgestellt.

Viele Kolonisten reagierten auf die veränderte Rechtslage mit dem Wunsch, das Russische Reich zu verlassen. Als Emigrationsziele boten sich für die Kolonisten die nord- und südamerikanischen Länder an. Etwa 150.000 Kolonisten, also nur ein Teil der deutschen Bevölkerung in Russland, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts etwa 2 Milionen Menschen umfasste, wagte schließlich erneut die Emigration, nun aber westwärts in ein unbekanntes Land.

Die in Russland verbliebenen Deutschen erwartete indessen im ausgehenden 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert ein schweres Schicksal. Die durch die Ausländerfeindlichkeit bestimmte, andauernde Verschlechterung der Lage der Kolonisten, vor allem in Wolhynien, gipfelte nach Beginn des Ersten Weltkrieges in den sogenannten „Liquidationsgesetzen“, der ersten staatlichen Maßnahmen, welche die Vernichtung zahlreicher deutscher Existenzen zur Folge hatte.

Der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit wurde unter Strafe gestellt. Die Russifizierungspolitik der zaristichen Regierung führte in der antideutschen Hysterie des 1. Weltkriegs nicht nur zur Enteignung von Angehörigen der Feindstaaten, sondern auch von Kolonisten ausländischer Abstammung, auf die Tragödien, wie Hungersnöte, Bürgerkrieg und Verstaatlichung der Wirtschaft folgten.

 

Den Deutschen in Sowjetrussland brachten die 20er Jahre eine Periode vorübergehender Liberalisierung im Rahmen der Neuen Ökonomischen Politik Lenins. So konnten die Russlanddeutschen, wenn auch unter komunistischen Vorzeichen, wieder eine gewisse kulturelle und ökonomische Eigenständigkeit erreichen, die bis zur Etablierung einer eigenen Wolgadeutschen Republik führte. Erst mit dem Beginn der Kollektivierung, Entkulakisierung3 und des antireligiösen Kampfes im Jahr 1928 unter Stalins Führung ging das traditionelle Leben der Deutschen in Russland endgültig zu Ende.

Die deutschen Bauern in Russland, die die Stalinsche Politik überlebten, wurden spätestens mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges zwischen Deutschland und Russland im Jahr 1941 nach Sibirien oder Zentralasien deportiert. Dort wurden sie völlig entrechtet und unter katastrophalen Bedingungen in Arbeitslagern (Trudarmee2) zusammengefasst, wobei ein großer Teil der Russlanddeutschen den Tod fand. Erst im Jahr 1964 trat in der Sowjetunion eine Teilrehabilitierung der Russlanddeutschen in Kraft.

 

In Bessarabien

Die Deutschen in Bessarabien entgingen dagegen dem Schicksal der übrigen Russlanddeutschen in der Sowjetunion, da Bessarabien, wahrscheinlich wegen der rumänischen Mehrheit in der Bevölkerung, 1918 den Anschluss an Rumänien wählte. Sie wurden für 22 Jahre, also bis 1940, rumänische Staatsangehörige.

Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Rote Armee überraschend das Territorium Bessarabiens. Wie im Geheimen Zusatzprotokoll (Die Existenz der Zusatzprotokolle zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt wurde von der Sowjetunion 50 Jahre lang geleugnet. Als Michail Gorbatschow im Jahr 1989 einen Untersuchungsausschuss unter der Leitung seines Vertrauten Alexander Jakowlew einsetzte, wurde das entsprechende Dokument veröffentlicht.) des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 verabredet, duldete das Deutsche Reich die Besetzung. Gegenüber der Sowjetunion bekundete es sein Desinteresse an der bessarabischen Frage, aber nicht am Schicksal der dort lebenden etwa 93.000 Bessarabiendeutschen. Am 5. September 1940 wurde der Umsiedlungsvertrag "Heim ins Reich" abgeschlossen und im Herbst 1940 begann die Umsiedlung ins Deutsche Reich.

Aufgrund eines am 5. September 1940 geschlossenen deutsch-sowjetischen Vertrages wurden die damals etwa 93.000 Bessarabiendeutschen aus der Sowjetunion ausgesiedelt und in den von Deutschland während des 2. Weltkrieges von Polen annektierten Warthegau eingewiesen.

der Reichsgau Warthegau im Großdeutschen Reich, 1945
der Reichsgau Warthegau im Großdeutschen Reich, 1945

 

Auch meine Verwandten verließen ihre Dörfer auf Fuhrwerken und durchquerten die Städte Sarata, Bolgrad und Reni, wo sie am 21. Oktober ankamen. Dort bestiegen sie am 23. und 25. Oktober die Schiffe “Grein” und “Saturnus” und setzten ihre Fahrt auf der Donau bis Semlin (bei Belgrad) fort. Nächste Stationen waren Städte wie Graz, Villach, Wien, Schlackenwerth und Kreis Krotoschin im Warthegau (Herbst 1941). Im Warthegau blieben sie bis Januar 1945, denn dann mussten sie vor den Russen weiter nach Westen fliehen.

Umsiedlung der Deutschen aus Bessarabien
Umsiedlung der Deutschen aus Bessarabien

 

In diesem Exodus blieben meine Großeltern mütterlicherseits in Sachsen-Anhalt, während meine Großeltern väterlicherseits den Wunsch hatten in ihre Herkunftsorte nach Baden-Württemberg zurückzukehren. 

Mein Vater, deutscher Frontsoldat, wurde am 28. Januar 1945 von den Russen gefangengenommen und kam in ein Gefangenenlager nach Segescha in Karelien, wo er erst im April 1949 freigelassen wurde.

 

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1 Staatsbauern wurden auch als "Kronsbauern" bezeichnet und galten offiziell als Leibeigene des Staates (im Gegensatz zu den Leibeigenen der Landbesitzer). Sie verfügten über mehr Freiheiten als man denkt. So konnten die Staatsbauern Land erwerben, durften aber keine Leibeigenen besitzen. Die Staatsbauern wurden auch dazu berechtigt ihren Status aufzugeben und in die Stadt zu ziehen. Die “Leibeigenen des Staates“ waren dem Staat aber auf vielerlei Weise verpflichtet: sie konnten in die Armee eingezogen werden, mussten Steuern entrichten und Pacht für das vom Staat zur Verfügung gestellte Land zahlen.

  2 Trudarmee = Arbeitsarmee (russ.: Трудовая армия Trudowaja armija, kurz трудармия Trudarmija) war eine militarisierte Form der Zwangsarbeit in der Sowjetunion während und nach dem Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1946. Betroffen davon waren vor allem Russlanddeutsche aber auch die finno-ugrischen Komi, sowie Rumänen, Ungarn und Italiener.
Die meist unschuldigen Häftlinge wurden aufgrund ihrer deutschen Abstammung als kostenlose Arbeitskräfte eingesetzt, wofür sie wie die letzten Verbrecher und Mörder behandelt wurden. Der Unterschied der Trudarmee zum Gefängnis lag nur darin, dass die Menschen nicht eingesperrt, sondern in einer Arbeitskolonie untergebracht wurden. Die Gefangenen, die sich über 100 Meter von den Baracken entfernten, wurden kaltblütig erschossen. Alle Häftlinge standen unter spezieller Aufsicht des NKWD (Innenministerium der UdSSR) und durften den Wohnort nicht ohne Erlaubnis des NKVD verlassen.

3 Kulak = Bezeichnung für den russischen Mittel- und Großbauern aber auch eine abfällige Bezeichnung die wohlhabenden Bauern auf dem Lande. Kulak, was wörtlich übersetzt “Faust“ bedeutet (jemand, der seinen Besitz fest in den Fäusten hält), wird im Sinne von “Wucherer“ oder “Dorfkapitalist“ gebraucht.
Nach der Oktoberrevolution von 1917  und im Verlauf der Kollektivierungsmaßnahmen (1929/30) unter Stalin wurden der Begriff Kulak zum Schimpfwort und auf alle ländlichen „Ausbeuter“ ausgedehnt und als feindliche »Klasse« liquidiert . Auf dem Höhepunkt der Kollektivierung (1932) bedeutete bereits geringfügiges landwirtschaftliches Eigentum, wie zum Beispiel eine Kuh oder die Beschäftigung von Tagelöhnern oder Knechten als Kulakentum und führte zu Zwangsmaßnahmen: Zuerst höhere Abgaben, dann Enteignung, schließlich Deportation in menschenleere Gebiete oder in den Gulag. Oft wurden auch die Familienangehörigen der „Kulaken“ und sogar angebliche Kulakensöldlinge verfolgt.
Die Kulaken wurden dazu in 3 Kategorien eingeteilt: die Bauern der 1. Kategorie galten als “konterrevolutionäre Elemente“, die entweder gleich erschossen, oder in ein Arbeitslager der GPU (Staatssicherheitsdienst) gebracht wurden. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Angehörigen fielen unter die Deportierten.
Die Kulaken der 2. Kategorie waren zwar weniger gefährlich, galten aber als “fürchterliche Ausbeuter“. Sie wurden enteignet, verhaftet und mit ihren Familien in entlegene Gebiete deportiert.
Die Kulaken der 3. Kategorie galten als “staatstreu“ und wurden enteignet und in unfruchtbare und unkultivierte Zonen ihrer Distrikte umgesiedelt.

 

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