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Sofiental
(Sofiyivka, Stawrowa, Sofiivka Софиевка/Софіївка)
Eine deutsche Tochterkolonie in Bessarabien
Teil 4 von 4)
Sofiental im 1. Weltkrieg
ie Kriegsjahre (nach dem 1. August 1914) waren für die Bessarabiendeutschen nicht leicht. Über Nacht wurden sie von den Behörden zu „politisch Unzuverlässigen“ gestempelt. Das brachte den Deutschen im Zarenreich überall zu Unannehmlichkeiten.
Die Diskriminierung der Deutschen in Bessarabien
Da Sofiental an der äußersten Südostspitze der deutschen Siedlungen in Bessarabien lag, hatten seine Bewohner unter dieser Hetze besonders zu leiden. Viel schlimmer wurde es aber, als nach der Oktoberrevolution plündernde Anhänger Lenins durch das Land zogen. Auch der ärmste Sofientaler war in ihren Augen noch ein fetter Kulake1 (Großkapitalist im Bereich der Landwirtschaft), den es auszumerzen galt. Kein Wunder, dass in jenen Wochen bei jedem Sofientaler nicht nur ein geladenes Jagdgewehr an der Wand hing, sondern auch ein Karabiner griffbereit unter der Bettdecke lag.
Nach dem Einmarsch der rumänischen Truppen und der Angliederung Bessarabiens an das Königreich Rumänien war die kommunistische Gefahr zwar gebannt, dafür drohten aber neue Gefahren.
Das rumänische Agrarreformgesetz
Das Agrarreformgesetz, das im Altreich Grundbesitz über 500 ha enteignete und an Landlose aufteilte, setzte die Besitzgröße für Bessarabien auf 100 ha herab. Natürlich trafen diese Härten hier in erster Linie die Deutschen. Auch der Kauf von Ackerland wurde weitgehend unterbunden.
Die bisherigen Wirtschaftskontakte zu Russland waren unterbrochen und mussten durch andere ersetzt werden.
Der Gesetzgeber hatte es darauf abgesehen, landlose Kriegsteilnehmer aus Rumänien in die neu angelegten Gebiete (Banat, Siebenbürgen2, Buchenland, Bessarabien) zu verpflanzen.
Auf diese Weise entstanden von 1919-1929 14 sogenannte Hektargemeinden.
Trotzdem müssen die Bessarbiendeutschen den Rumänen dankbar sein, dass sie sie durch die Besetzung Bessarabiens vor dem Schicksal der Russlanddeutschen bewahrt haben.
Bis zum Einmarsch der Roten Armee im Jahr 1940 hatten die Sofientaler wieder einen Großteil des enteigneten Landes zurückgekauft.
Nach dem 1. Weltkrieg, als die Gefahr der Deportation nach Sibirien vorüber war, dachte man an die Verschönerung der Gemeinde. Im alten Dorfteil wurden die Gehwege verbreitert und auf jeder Seite zwei Reihen Akazienbäume angepflanzt. Dazwischen fanden Flieder, Rosen und Staudengewächse ihren Platz. Im Jahr 1937 wurde die Beleuchtung der Straße beschlossen und Petromaxlampen montiert. Jahraus und jahrein hatte man nun gut beleuchtete Straßen.
1 Kulak = Begriff, der im Russischen seit dem 19. Jahrhundert für
relativ wohlhabende Bauern verwendet wurde. Bis 1917 war er auch eine abwertende Bezeichnung für Vermittler, Wucherer und Betrüger.
Nach der Oktoberrevolution von 1917 wurde die Bedeutung des Begriffes "Kulak" mit allen "Landausbeutern" gleichgesetzt:
Selbst diejenigen, die nur eine Kuh hatten oder einen Tageslöhner oder Diener beschäftigten gehörten zu dieser Kategorie.
Diese Menschen und ihre Familie wurden als Klassenfeinde diffamiert und verfolgt.
2 Siebenbürgen =
Landschaft, im Innern des Karpatenbogens, die heute zu Rumänien gehört.
Vom 3. Jahrhundert v. Chr. an Teil des Königreichs der Daker, 106-271
n. Chr. Teil der römischen Provinz Dakien, seit dem 7. Jahrhundert von
Bulgaren, seit dem 9./10. Jahrhundert von Ungarn beherrscht, vom 11. bis
13. Jahrhundert der ungarischen Krone unterstellt.
Zum Grenzschutz wurden im 10. Jahrhundert Szekler, ab etwa 1150 deutsche Bauern
und Handwerker (Siebenbürger Sachsen) angesiedelt; 1211-25 breitete sich
im Burzenland (historische Grenzlandschaft im Südosten Siebenbürgens)
der Deutsche Orden aus. Eine rumänische Bevölkerung ist erst seit etwa
1210 sicher bezeugt. 1437 »Union der drei Nationen« (Ungarn, Szekler,
Sachsen) zur Abwehr der seit 1432 vordringenden Türken.
Die Bedrohung durch die Türken führte nach 1493 bis etwa 1530 zum Um-
und Ausbau der Kirchen zu Kirchenburgen. Nach der Schlacht bei Mohács
(1526) kam Siebenbürgen unter osmanische Oberhoheit; 1688 bzw. 1691 fiel
Siebenbürgen vorläufig, 1699 (Frieden von Karlowitz) bei Wahrung seiner
Autonomie endgültig an die Habsburger (Österreich); 1848/49 kurz, nach
dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 wieder mit Ungarn vereinigt.
Die Magyarisierungspolitik stieß auf den entschiedenen Widerstand der dort
lebenden Rumänen und Sachsen. Durch den Frieden von Trianon (1920) kam Siebenbürgen
an Rumänien, durch den 2. Wiener Schiedsspruch (1940) Nordsiebenbürgen
und das Szeklerland (Ostsiebenbürgen) an Ungarn, durch den Pariser Frieden
(1947) ganz Siebenbürgen wieder an Rumänien.
Quelle: Berthold Mayer: Sofiental - Eine deutsche Gemeinde in Bessarabien, Greiserdruck Rastatt, 1973;