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Edikt von Potsdam

Edikt von Potsdam
Edikt von Potsdam

Das Edikt von Potsdam war ein Toleranzedikt, das am 8. November 1685 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg erlassen wurde.

Der Kurfürst, im Gegensatz zur evangelisch-lutherischen Bevölkerungsmehrheit Brandenburgs, selbst calvinistischen Glaubens1, bot seinen in Frankreich wegen ihrer Religion verfolgten calvinistischen Glaubensgenossen, den Hugenotten, freie und sichere Niederlassung in Brandenburg an.

Brandenburg im Heiligen Römischen Reich 1648
Brandenburg im Heiligen Römischen Reich 1648

 

Den Flüchtlingen wurden großzügige Privilegien gewährt, unter anderem Befreiung von Steuern und Zöllen, Subventionen für Wirtschaftsunternehmen und Bezahlung der Pfarrer durch das Fürstentum.

Ungefähr 40.000 Hugenotten flohen in die deutschen Territorien; Brandenburg-Preußen nahm annähernd 20.000 von ihnen auf.  

Relief von Johannes Boese: Der Große Kurfürst begrüßt ankommende Hugenotten (1885)
Relief von Johannes Boese: Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg
begrüßt ankommende Hugenotten (1885)

 

Edikt von Nantes
das Edikt von Nantes

Hintergrund des Edikts war die wiedererwachende Verfolgung der Hugenotten in Frankreich nach dem Widerruf des Toleranzediktes von Nantes2 durch das Edikt von Fontainebleau3 am 18. Oktober 1685, welches vom französischen König Ludwig XIV. unterzeichnet wurde. Das katholische Bekenntnis war fortan Staatsreligion in Frankreich.

Obwohl Ludwig XIV. das Land an den Grenzen abriegeln ließ, setzte eine große Flucht ein.

Neben den religiösen Gründen gab es aber auch wichtige wirtschaftliche Gründe.

Brandenburg war im Jahr 1648 durch den zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieg und die plündernd durchziehenden Truppen ein verwüstetes Land. Seuchen und Hungersnöte hatten gewütet und die Bevölkerung dramatisch reduziert.

Bevölkerungsverluste im 30-jährigen Krieg
Bevölkerungsverluste im 30-jährigen Krieg

 

Städte und Dörfer lagen in Trümmern, die Wirtschaft war zerrüttet und die Folgen des Krieges waren 1685 noch keinesfalls überwunden, zum Wiederaufbau reichten auch die Mittel nicht aus, da sich im gleichen Maße die Einnahmen des Staates verringert hatten.

Hugenottenkreuz
Hugenottenkreuz

Gleichzeitig wuchsen die Ausgaben für Militär und Repräsentation. Einen Ausweg aus dieser Misere suchten der Große Kurfürst und seine Berater in einer umfassenden „Peuplierung4, der Ansiedlung möglichst vieler wirtschaftlich leistungsfähiger Neubürger.

Das Edikt von Potsdam richtete sich nicht in erster Linie an die besser gestellten unter den Hugenotten – die bevorzugten ohnehin entwickelte Länder wie die Niederlande oder England – sondern an mittellose, aber arbeitsame, vor allem handwerklich und kaufmännisch qualifizierte Einwanderer.

Das Edikt von Potsdam trug wesentlich dazu bei, die Wirtschaft des zerstörten Brandenburg zu beleben und legte damit den Grundstein für die Erstarkung Brandenburg-Preußens. Durch die Hugenotten, die sich in Berlin niederließen, stieg die Einwohnerzahl um ein Drittel an.

Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg
Friedrich Wilhelm von Brandenburg

Wie bereits bei der Aufnahme der aus Österreich vertriebenen Juden 1671 erhoffte Friedrich Wilhelm sich von den Einwanderern einen wirtschaftlichen Aufschwung in an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges leidenden Brandenburg, Hoffnungen, die sich erfüllten. Die Hugenotten in Brandenburg brachten dem Staat sowohl einen wirtschaftlichen als auch geistigen Aufschwung.

So wurde schon 1689 in Berlin das Französische Gymnasium eröffnet, das Einwanderern als auch Eingesessenen eine bis dahin nicht gebotene umfangreiche Bildung gewährte. Ebenso entwickelte sich Berlin zu einem Zentrum der Literatur innerhalb Brandenburg-Preußens als auch über die Staatsgrenzen hinweg wirkend.

Der Transport der Flüchtlinge nach Brandenburg war gut organisiert. In Sammellagern in Amsterdam, Frankfurt am Main und Hamburg fanden die Réfugiés Aufnahme und wurden von dort in die vorgesehenen Ansiedlungsorte weitergeleitet.

erste französische Kirche in Berlin
erste französische Kirche in Berlin

Hier konnten sie eine Reihe von Privilegien und Starthilfen in Anspruch nehmen, die ihnen in den 14 Punkten des Edikts von Potsdam versprochen worden waren. Glaubensfreiheit und die Ausübung ihres Kultus in französischer Sprache durch eigene Geistliche waren garantiert, dazu ein in weiten Teilen unabhängiges Rechtssystem, zeitweilige Steuerbefreiung, kostenlose Mitgliedschaft in den Zünften, die Verleihung des Bürgerrechts, Anschub-finanzierung für gewerbliche Existenzgründungen, Grundstücke und kostenloses Baumaterial.

Ein staatliches „Kommissariat für französische Angelegenheiten“ stand als Ansprechpartner bei der Einreise bereit. Mit derart weitgehenden Zugeständnissen hatte sich Brandenburg einen Vorsprung verschafft vor anderen Not leidenden deutschen Flächenstaaten, die sich ebenfalls um den Zuzug französischer Flüchtlinge bemühten.

 

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1 Das brandenburgische Fürstenhaus der Hohenzollern gehörte seit 1613 der calvinistischen Glaubensrichtung an, anders als die große Mehrzahl seiner lutherisch-protestantischen Untertanen.
2 Edikt von Nantes = amtlicher Erlass, der am 13. April 1598 in Nantes vom französischen König Heinrich IV. unterzeichnet wurde und der den calvinistischen Protestanten (Hugenotten) im katholischen Frankreich freie Religionsausübung und politische Sonderrechte garantierte. Zuvor hatten die Calvinisten oder Reformierten eine mehr als 60 Jahre dauernde Verfolgung im gesamten Land zu erleiden gehabt, die immer wieder zu Bürgerkriegen, den sog. Hugenottenkriegen, geführt hatte. Zehntausende Protestanten waren in diesen Jahrzehnten ums Leben gekommen oder hatten Frankreich verlassen.
Als die Hugenotten sich in den Kriegen von 1621/22 und 1625-29 erneut der Krone entgegenstellten, verloren sie durch den Kardinal Richelieu alle politischen Sonderrechte und Sicherheitsplätze, wurden allerdings religiös weiter geduldet.
De facto beendet wurde diese Duldung mit der offiziellen Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. (Edikt von Fontainebleau, 1685), das die Freiheit der Religionsausübung so stark beschränkte, dass sich mehr als 200.000 Hugenotten gezwungen sahen, Frankreich zu verlassen.
3 Am 18. Oktober 1685 wurde in Frankreich das Edikt von Nantes von König Ludwig XIV. im Edikt von Fontainebleau widerrufen. Damit erklärte der König das katholische Bekenntnis zur Staatsreligion und erließ dabei folgende Verordnungen:
alle protestantischen Kirchen sind unverzüglich niederzureißen
der Gottesdienst ist verboten
die Geistlichen haben binnen 14 Tagen Frankreich zu verlassen
die protestantischen Schulen sind sofort aufzuheben
die Kinder sind katholisch zu taufen
die Auswanderung ist bei Galeerenstrafe für die Männer und Klosterhaft für die Frauen verboten.
Das Edikt von Fontainebleau war der Schlusspunkt einer seit 1661 verschärften Protestantenverfolgung.
4 Unter „Peuplierung“ versteht man bevölkerungspolitische Maßnahmen im 18. Jahrhundert, die der Besiedlung leerer oder bevölkerungsarmer Gebiete dienen sollte. Dies sollte zum Bevölkerungzuwachs und zum wirtschaftlichen Gedeihen des Landes beitragen, den allgemeinen Wohlstand erhöhen und nicht zuletzt eine Steigerung der Einkünfte des Landesherren erreichen. Man warb unter Zustimmung verschiedener Vergünstigungen Fachkräfte aus dem Ausland an, die sich meist aus Glaubensflüchtlingen rekrutierten. 

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