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Bessarabien unter russischer Herrschaft

(Teil 7 von 7)

Stalins Maßnahmen in Bessarabien

Bessarabien heute
Bessarabien heute

am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die Moldauische Sozialistische Sowjet-republik (MSSR) und schlug ihr die östlich des Dnister gelegene Moldauische Autonome Sozia-listische Sowjetrepublik (MASSR) zu.

Der Süden (Budschak) und das Gebiet im Norden um die Stadt Chotyn (Oblast Czernowitz) ging an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR).

 

Unmittelbar nach der Besetzung kollektivierte die Sowjetunion die Landwirtschaft, löste Großgrundbesitz auf, verteilte Land an landlose Bauern und gründete Sowchosen sowie Kolchosen.

Deportation der Kulaken
Deportation der Kulaken1

Während die deutsche Bevölkerung Bessarabiens von der sowjetischen Geheimpolizei (GPU) im Großen und Ganzen kaum behelligt wurde, mussten sie mit ansehen, wie ihre wohlhabenden russischen, jüdischen, bulgarischen und moldauischen (rumänischen) Nachbarn meist nachts zu Verhören abgeholt wurden und häufig nicht wiederkamen.

Es wurden etwa 250.000 Personen deportiert und dort Russen, Ukrainer und Weißrussen angesiedelt.

Von der Verfolgung waren nur die Bessarabiendeutschen ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reiches standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden.

 

Unternehmen Barbarossa im Juni 1941

Rumänische Soldaten
Rumänische Soldaten

Am 22. Juni 1941 begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion als das Unternehmen Barbarossa, an dem sich etwa eine Million rumänische Soldaten beteiligten. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließen die Sowjets in Bessarabien verbrannte Erde und transportierten alle beweglichen Güter per Bahn nach Russland.

Ende Juli 1941, wurde Bessarabien, nach einjähriger sowjetischer Besatzungszeit von rumänischen Truppen, die von Deutschland unterstützt waren, besetzt.

 

Die "Problemlösung" der unerwünschten Ethnien

Jüdische Frauen im Ghetto von 
      Chișinău, August 1941
Jüdische Frauen im Ghetto von Chișinău,
August 1941

Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten, unter Beteiligung der Bevölkerung, Pogrome an unerwünschten Ethnien, wie bessarabische Zigeuner (Roma) und Juden mit Tausenden von Toten.

Gleichzeitig gab es Tötungs-aktionen der berüchtigten SS-Einsatzgruppen2 (hier in Bessarabien die Einsatzgruppe D3) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, Saboteure und Kommunisten, aber auch an Roma, denn sie seien „Komplizen“ und „Spione“ des „jüdischen Bolschewismus“.

Massenerschiessung unter NS-Besatzung in Osteuropa
Massenerschiessung unter NS-Besatzung
in Osteuropa

Es wurden mehr Roma durch Massenerschießungen umgebracht als in Lagern.

Es wurden hauptsächlich die nicht sesshaften Roma erschossen. Genaue Zahlen der Opfer sind allerdings nicht bekannt.

 

Denkmal der jüdischen Opfer in Bogdanovka, Ukraine
Denkmal der jüdischen Opfer
in Bogdanovka, Ukraine

Zirka 25.000 Roma wurden von Juni bis September 1942 nach Transnistrien, also auf ukra-inisches Gebiet, vertrieben, wo die rumänischen Behörden mehrere große Ghettos, Arbeits- und Todeslager (Bogdanowka, Berezovka, Akmechetka, Domanevka) errichteten, in denen vor allem Juden aus Bessarabien und der Bukowina, aber auch zahlreiche Roma umgebracht wurden.

Die übrigen Inhaftierten ließ man einfach verhungern oder wer überlebte, starb an Krankheiten.
Nach Einschätzung der Wiesel-Kommission kamen unter rumänischer Verantwortung knapp 300.000 Juden und 11.000 Roma um; die meisten davon in Transnistrien.

bessarabische Juden werden von rumänischen Soldaten 
      abtransportiert
bessarabische Juden
werden von rumänischen Soldaten nach
Transnistria abtransportiert
(Propagandafoto aus jener Zeit)

Der Hass auf die Juden beruhte teilweise darauf, dass man ihnen ein Paktieren mit den Sowjets vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernich-tungspolitik als Befreier ansahen.

Einzelne Juden waren zuvor tatsächlich als Politkommissare gegen antisowjetische Elemente in der Bevölkerung vorgegangen.

 

der Holocaust in Transnistrien, in Moldawien und in der Ukraine
der Holocaust in Transnistrien,
in Moldawien und in der Ukraine;
(Davidsterne repräsentieren Ghettos,
Totenköpfe repräsentieren Massaker.)

Die politische Lösung der „Judenfrage“ war vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt.

Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in Ghettos oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei Todesmärschen in das rumänisch besetzte Transnistrien zu deportieren, das teilweise, anders als das rumänische Mutterland, von der SS kontrolliert wurde.

Todesmarsch
Todesmarsch

Ende 1941 waren im Konzentrationslager Bogdanowka in Transnistrien, das von den rumänischen Besatzungsbehörden errichtet wurde, 54.000 Inhaftierte, etwa 48.000 aus Odessa und 7.000 aus Bessarabien.

Am 21. Dezember 1941 begann eine Vernichtungsaktion, die von rumänischen Soldaten und Gendarmen, ukrainischer Polizei und lokalen ethnischen Deutschen unter den Kommandanten der ukrainischen regulären Polizei durchgeführt wurde.

Erschießung der Juden durch die Einsatzgruppe
Erschießung der Juden
durch die Einsatzgruppe

5.000 Inhaftierte wurden bei lebendigem Leib in Scheunen und Ställen verbrannt und die übrigen Gefangenen wurden in Kolonnen zu 300-400 Personen in einen nahe gelegenen Wald geführt, wo sie sich entkleiden mussten und dann mit Handgranaten oder Genickschüssen getötet wurden. Im Laufe von vier Tagen (mit Unterbrechung der Weihnachtsfeiertage) wurden auf dieser Weise 30.000 Menschen umgebracht. Die Übrigen ließ man erfrieren.

 

Die Operation Jassy-Kischinew

Nach dreijähriger Friedenszeit in Bessarabien war 1944 die deutsch-sowjetische Front wieder bis an die östliche Landesgrenze am Dnister herangekommen.

Operation Jassy-Kischinew
Operation Jassy-Kischinew
als sowjetischer Großangriff
im August 1944 in Bessarabien

Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung Operation Jassy-Kischinew.
In einer Zangenoperation überrannten die Angreifer in fünf Tagen Bessarabien.

In Kesselschlachten bei Chişinău und Sarata wurde die nach der Schlacht von Stalingrad neu gebildete 6. deutsche Armee mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben.

Michael I.
Michael I.

 

Zeitgleich mit dem erfolgreichen russischen Vorstoß kündigte Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler und wechselte die Fronten.

Am 23. August 1944 wurde Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König Michael I. wieder eingesetzt.

Nach dem sowjetischen Sieg wurde die Aufteilung Bessarabiens (zwischen Moldau und Ukraine) von 1940 wieder in Kraft gesetzt und blieb bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 bestehen.

 

 

Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik
Moldauische Sozialistische
Sowjetrepublik

Mit der Pariser Friedenskonferenz von 1947 wurde die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (Moldauische SSR) zu einer der 15 Sozialistischen Sowjetrepubliken, auch wenn in den Jahrzehnten danach Rumänien immer wieder reguläre Forderungen auf Bessarabien stellte, da die Mehrheit der Bevölkerung Moldawen (Rumänen) sind.

Die Republik Moldau wurde dann Gegenstand eines tiefgreifenden Prozesses der Russifizierung, die eine kulturelle Trennung von Rumänien auferlegte.

Die moldauische Sprache (eigentlich die offizielle Bezeichnung der rumänischen Sprache in Moldawien) wurde Amtssprache mit kyrillischen Buchstaben.

Republik Moldau
Republik Moldau

 

 

Die Moldauische SSR zerfiel dann 1991 in die unabhängige Republik Moldau und die östlich des Flusses Dnister gelegene, völkerrechtlich nicht anerkannte, Transnistrische Moldauische Republik, deren Territorium jedoch nie zu Bessarabien gehörte (ausgenommen die Stadt Tighina mit ihren Nachbardörfern).

 

 

 

Ethnien in Modawien
Ethnien in Modawien
in Gelb Moldauer, in Grün Ukrainer,
in Rot Russen, in Violett Gagausen,
in Rosa Bulgaren

Die offizielle Amtssprache ist Moldauisch. Die Sprache wurde aus politischen Erwägungen zur eigenständigen Sprache erklärt. Während die Schriftsprache mit dem Rumänischen fast identisch ist, entspricht die gesprochene Umgangssprache größtenteils dem im östlichen Teil Rumäniens, der Moldau, gesprochenen moldauischen Dialekt.

Eine besondere Rolle spielt die russische Sprache, die der interethnischen Kommunikation dient und Handelssprache ist. Zu Sowjetzeiten mussten alle Moldauer Russisch lernen.

 

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1 Kulak = Begriff, der im Russischen seit dem 19. Jahrhundert für relativ wohlhabende Bauern verwendet wurde. Bis 1917 war er auch eine abwertende Bezeichnung für Vermittler, Wucherer und Betrüger.
Nach der Oktoberrevolution von 1917 wurde die Bedeutung des Begriffes "Kulak" mit allen "Landausbeutern" gleichgesetzt: Selbst diejenigen, die nur eine Kuh hatten oder einen Tageslöhner oder Diener beschäftigten gehörten zu dieser Kategorie. Diese Menschen und ihre Familie wurden als Klassenfeinde diffamiert und verfolgt. Mehr dazu findest du hier.

2 Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (abgekürzt EGr) waren deutsche „Sondereinheiten“ (Spezialeinheiten) zur Bekämpfung politischer Gegner, die das Regime des Nationalsozialismus im Polenfeldzug 1939 und im Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 für Massenmorde an Zivilisten der Feindländer aufstellte und einsetzte.
Ihre Opfer waren vor allem Angehörige der politischen Intelligenz, Kommunisten, Partisanen und als „rassisch minderwertig“ geltende Juden, „Zigeuner“ und „Asoziale“. Die Haupttäter waren Angehörige der Sicherheitspolizei (bestehend aus Gestapo und Kriminalpolizei), des Sicherheitsdienstes (SD), der Ordnungspolizei (OrPo) und der Waffen-SS.

3 Die Einsatzgruppe D wurde in der südlichen Ukraine, Bessarabien, Kischinew, der Krim und 1942 im Norkaukasus eingestzt.

 

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