Du bist in: Württemberg > Das Herzogtum Wirtemberg im 16. Jahrhundert > Der Tübinger Vertrag

Das Herzogtum Wirtemberg im 16. Jahrhundert

Der Tübinger Vertrag

Der Tübinger Vertrag
Der Tübinger Vertrag

Der am 8. Juli 1514 abgeschlossene Tübinger Vertrag, war der Vorläufer einer demokratischen Verfassung, durch den der Bauernaufstand „Armer Konrad“ befriedigt werden sollte.

Der Tübinger Vertrag, der in Anlehnung an die berühmte englische Verfassungsurkunde auch gern „Magna Charta Alt-Württembergs“ genannt wird, gilt als das wichtigste württembergische Verfassungsdokument, das die Mitwirkung der Landstände1 an der Regierung des Landes regelte und bis zum 30. Dezember 1805 Gültigkeit behalten sollte als der damalige Kurfürst von Wirtemberg, Friedrich Wilhelm Karl, sich die landständischen Kassen und das Archiv der Stände gewaltsam aneignete. Durch das General-Reskript Nr. 1670 vom 31. Dezember 1805 wurden die Städte und Ämter zur bedingungslosen Unterordnung unter die Organe der Regierung und zur Ablieferung aller Steuern an diese angewiesen. Der landeständische Vertrag, das „gute, alte Recht“, der Tübinger Vertrag, wurde damit aufgehoben.

 

Herzog Ulrich
Herzog Ulrich

Aber zurück zum Zustandekommen des Tübinger Vertrages. Die Vertreter der Landschaften2 verpflichteten sich, Herzog Ulrichs Staatsschulden von 910.000 Gulden zu begleichen und sicherten ihre Mithilfe bei der Bekämpfung des Bauernaufstandes im Remstal zu.

Im Gegenzug erhielten sie Mit-spracherecht bei Landesveräußerungen und Kriegserklärungen.

Die wirtembergischen Untertanen erhielten erstmals gewisse Rechte. Kein Wirtemberger durfte fortan gefoltert oder ohne ein rechtmäßiges Urteil bestraft werden. Außerdem erhielten alle Bewohner des Landes die Zusage zum "fryen [freien] zug"3

„.. Damit ouch der gemain man den last so viel lydenlicher und williger tragen, so soll inen hertzog Ulrich ainen fryen zug gnediglich vergönden und zulassen, .....“

Um einen allzu schnellen Abgang der Untertanen einzuschränken, sollte niemand in den nächsten fünf Jahren das Land verlassen können. Erlaubt war dies nur Kindern freigeborener Untertanen, die sich auswärts verheirateten. Dafür sollten sie einen ''abzug des zehenden pfennings aller hab'', die das Kind mit sich nimmt, bezahlt werden. Nach diesen fünf Jahren sollte jedem Freigeborenen erlaubt sein, auszuwandern, indem er einen gewissen Abzug des hinausgehenden Vermögens bezahlte und zwar in den ersten zehn Jahren den 10. Pfennig und in den folgenden zehn Jahren den 20. Pfennig.
Was während der ersten fünf Jahre anfallen würde, sollte dem Herzog in seinen ''seekel'' (Beutel) fallen, was danach anfiel, sollte zur Schuldentiglung verwendet werden. Erst nach 20 Jahren, sollte der ''freye Zug'' gestattet werden, wofür er buchstäblich zu nehmen war, eine allgemeine Bürgerfreiheit, ein persönliches und bürgerliches Recht, dorthin zu wandern, wo und mit was man wollte.

Der "frye zug" war das wichtigste Surrogat, das dem unter unsäglichen Lasten erliegenden Untertan gegeben werden konnte; das einzige Recht, das ihm bei einem wiederkehrenden ähnlichen Unglück, eine Tür in die weite Welt offen ließ; ein Recht, das jetzt erst den Wirtemberger zum freien Mann zu machen schien.

Ansicht der Stadt Stuttgart, Stich von Merian, 1634
Ansicht der Stadt Stuttgart, Stich von Merian, 1634

Die Residenzstädte Tübingen und Stuttgart erhielten außerdem das Recht, beim Herzog um die Einberufung eines Landtages4 nachzusuchen und Tübingen wurde Sitz des wirtembergischen Hofgerichts.

Tübingen. Kupferstich von Braun-Hogenberg zwischen 1572 und 1618
Tübingen. Kupferstich von Braun-Hogenberg zwischen 1572 und 1618

barra

indietro 1 avanti

1 Landstand: Gruppe oder Angehöriger der Gruppe, die einem bestimmten Stand (Geistlichkeit, Adel, Städte, Ämter, zum Teil auch Bauern) im Land oder einer Provinz angehört und das Recht hat, auf Landtagen zu erscheinen, und daselbst über Landesangelegenheiten zu stimmen.

2 Landschaft: hier: der dem Landesherrn, insbesondere bei der Schuldenverwaltung, gegenübertretende (oft auch von diesem initiierte) Zusammenschluss aller Landesstände oder, wo Geistlichkeit und Adel fehlen, auch nur der in Städten, Ämtern u. ä. verfassten Untertanen. [Deutsches Rechtswörterbuch (DRW)]

3 Der Freie Zug: Dispensationen zu Auswanderungen und Annäherung zur allgemeinen Auswanderungs-Freiheit hatten im Einzelnen und Ganzen, mit und ohne Vertrag, vor und nach der letzten Theilung (25. Januar 1442) und Wiedervereinigung (14. Dezember 1482) Wirtembergs, also lange vor dem Tübinger Vertrag stattgefunden.
Schon im Jahr 13025 gaben sich Graf Eberhard I. und Konrad III. von Weinsberg das Wort, ihre Untertanen in der Herrschaft Neuffen und Winnenden frei von einer in die andere ziehen zu lassen.
Im Jahr 1430 erteilte Graf Ludwig I. dem entvölkerten Städtchen Schiltach und seinen Umgebungen die Freizügigkeit mit der Bedingung, dass diejenigen, die aus württembergischen Städten oder Dörfern dahin zögen oder gezogen waren, auch nur in württembergische Orte sich zurück ziehen dürften; wer vom Ausland dahin zog, konnte auch wieder ins Ausland ziehen.
Als die Grafen Ludwig I. und Ulrich 1442 eine Landestheilung unter sich vernahmen, setzten sie für sich und ihre Erben ausdrücklich fest, dass den beiderseitigen Untertanen, Bürgern und armen Leuten oder Bauern der "frye [freie] Zug von eines Herrn Theil in den andern vergönnt, auch erlaubt seyn soll, sich in dieselben zu vermannen oder zu verweiben; hätte aber ein Herr eine gemeine Hülfe oder Schatzung ausgeschrieben, so sollte jeder zuvor seine Schatzung bezahlen."
Dieselbe Übereinkunft wurde erneuert durch den Frankfurter Entschluss vom 30. Juli 1489, als nach erfolgter Wiedervereinigung des Landes (Münsinger Vertrag vom 14. Dezember 1482) der Fall einer Teilung von neuem als möglich angenommen werden konnte. Beide Eberharde (Eberhard I., der Ältere, und Eberhard II., der Jüngere) versprachen sich, dass ihre Unthertanen frei von einem Herrn zum anderen ziehen konnten.
(Quelle: Friedrich Gutscher: Der Tübinger Vertrag oder die Wiederherstellung der würtembergischen Verfassung unter der RegierungHerzog Ulrichs im Jahr 1514, Juli 1816, §. 67, S.73)

4 Landtag: In Württemberg war schon im 15. Jahrhundert ein Landtag entstanden, in dem die Prälaten (geistlichen Würdenträgern) als Repräsentanten der großen Klöster und Vertreter der Städte saßen (anfänglich waren auch die Ritter vertreten, doch fielen sie als Landstand im 16. Jahrhundert hier aus.) Diese „Stände " erhielten 1492 außergewöhnliche Vollmachten unter Eberhard im Bart gegenüber dessen voraussichtlichen Nachfolger, weil dieser noch zu Lebzeiten Eberhards im Bart Schlimmes für ein ordentliches Regiment befürchten ließ. Tatsächlich setzte der Landtag dann 1498 schon zwei Jahre nach dem Regierungsantritt den offenbar zur Regierung nicht fähigen Herzog Eberhard II. ab und dessen Neffen Herzog Ulrich vorzeitig als Nachfolger ein.

Creative Commons Namensnennung- nicht kommerziell 3.0
2007 - 2018
CSS validoHTML valido