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Die deutschen Siedlungen in Bessarabien
Die Hektargemeinden
essarabien gehörte von 1918-1940 zu Rumänien. Wie es dazu kam, soll hier nicht näher eingegangen werden. Wenn es dich interessiert, klicke hier.
Der rumänische Gesetzgeber hatte es darauf abgesehen, landlose Kriegsteilnehmer aus Rumänien in die neu angelegten Gebiete (Banat, Siebenbürgen1, Buchenland, Bessarabien) zu verpflanzen.
Bauern in Bessarabien
Die Bessarabiendeutschen waren zu etwa 80% Bauern. Aber auch die anderen Berufsgruppen aus Handwerk, Gewerbe und Industrie waren landwirtschaftsnahen Bereichen zuzuordnen. Selbst Akademiker, insbesondere Pfarrer und Lehrer, waren in ihrer alten Heimat meist landverbunden und hatten oft nebenbei über einige Hektar Land verfügt.
Landschaft in Bessarabien
ein deutscher Hof in Bessarabien
Als eine “Wirtschaft“ bezeichnete man in Bessarabien traditionell einen Hof von 60 Desjatinen (ca. 66 ha). Durch Erbteilung hatten sich in den Mutterkolonien die Betriebsgrößen inzwischen allerdings bei einer mittleren Größe zwischen 10-30ha pro Familie (im Durchschnitt etwa 21 ha) eingependelt. Vollerwerbslandwirte besaßen durchschnittlich bis zu 57,5 ha Land.
In den Tochterkolonien mit mittlerem bäuerlichen Besitz betrug der Durchschnittswert pro Familie 24 ha.
Das rumänische Agrarreformgesetz
bei Bazar'yanka
Im Oktober 1919 annullierte die rumänische Regierung die 1915 verhängten russischen Enteignungsgesetze und führte ein eigenes Agrarreformgesetz, das ab 13. März 1920 in Kraft trat. Während im Altreich Rumänien Grundbesitz über 500 ha enteignet wurde und an Landlose aufgeteilt wurde, wurde er in Bessarabien auf 100 ha herabgesetzt. Diese Härte traf hier in erster Linie die Deutschen, die insgesamt ca. 56.000 ha verloren. Auch der Kauf von Ackerland wurde weitgehend unterbunden.
bei Popasdru
Besitzgrößen über 100 ha waren nun unmöglich geworden. Über 1.000 Bessarabiendeutsche mussten nun „Hektare abtrennen lassen“. Das enteignete Land teilte man Leuten zu, die, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine Ahnung von Landwirtschaft hatten.
So bekamen z. B. nicht nur alle landlosen Handwerker zwischen 3 und 6 ha zugeteilt, sondern auch Zigeunernomaden aus dem Altreich und nach Bessarabien versetzte Beamte. waren nun unmöglich geworden. Über 1.000 Bessarabiendeutsche mussten nun „Hektare abtrennen lassen“.
Auf diese Weise entstanden von 1919-1929 13 neue kleine Dörfer mit ganz oder teilweise deutscher Bevölkerung, die sogenannten Hektargemeinden, und 32 Tochterkolonien, die auf gepachteten Landgütern gegründet worden waren, wurden zu Hektargemeinden umgewandelt.
bei Neu-Borodino
Auf diese Gemeinden entfielen etwa 13% der deutschen Bevölkerung Bessarabiens. So erhielten z.B. 67 Familien Land bei Borodino und nannten den Ort Neu-Borodino.
Diese Hektargemeinden gewähr-leisteten ihren Bewohnern freilich kaum das Subsistenz-niveau, so dass die Einwohner dieser Gemeinden entweder Land hinzu pachten mussten oder sich bei anderen Bauern verdingen mussten. In den Hektargemeinden herrschte erhebliche Not und waren oft auf Nahrungsmittel- und Kleiderspenden der anderen deutschen Siedlungen angewiesen.
Alexanderfeld
Als dann nach der „Schonzeit“ Vater Staat von den 6-ha-Besitzern Steuern verlangte, kam das bittere Erwachen aus dem Besitzertraum. Nicht wenige gaben die Landwirtschaft ganz auf und boten ihren Grundbesitz wieder zum Kauf an.
Denkmal bei Bazar'yanka
Trotzdem müssen die Bessarbiendeutschen den Rumänen dankbar sein, dass sie sie durch die Besetzung Bessarabiens vor dem Schicksal der Russlanddeutschen bewahrt haben.
Durch die Vielfalt der Ortsnamensgebung existierten für etliche Orte mehrere Bezeichnungen.
Liste der Hektargemeinden | |||
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Siedlungsname | andere Bezeichnungen | Kirchengemeinde | Gründungsjahr |
Bergdorf | Cazabgic | Neu-Sarata | 1921 |
Hoffmannsfeld | Rosa/Роза | Klöstitz | 1922 |
Luxemburg | 1995 erloschen (nördlich von Bazar'yanka) | Posttal | 1929 |
Neu-Borodino | Germana, zu Evgenobka, 1995 erloschen (bei Yevhenivka) | Klöstitz | 1920 |
Neu-Brienne | 1995 erloschen (südlich von Brienne) | Arzis | 1934 |
Neu-Josefsdorf | Andreeni, 1995 erloschen (westlich von Platschynda) | Mathildendorf | 1923 |
Neu-Mariewka | Noua Marianca, 1995 erloschen (nördlich von Marianca de Sus) | Mathildendorf | 1925 |
Neu-Seimeny | Neu-Seimeni, Sadowe/Садове, Neu Seimeny, Dox Seimeni Noi, Sadowoje | Andrejewka | 1921 |
Nußtal | Orechowka, Valea Nucilor | Albota | 1925 |
Paruschowka | Paruseni ( nördlich von Alexanderfeld; nordwestlich von Musaitu) | Albota | 1921 |
Popasdru | Popasdra/Попаздра, Popazdra, Nicolaie Balcescu, Primorskoje | Posttal | 1922 |
Rosental | Valea Trandafirlor, Sarau beu Colibabovca | Neu Sarata | 1923 |
Strassburg I | Poljanka/Полянка, Alcalia (1995 erloschen) | Posttal | 1920 |
Unter-Albota | Kamenka, Albota de Joss | Albota | 1919 |
Liste der Pachtgemeinden, die Hektargemeinden wurden | |||
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Siedlungsname | andere Bezeichnungen | Kirchengemeinde | Gründungsjahr |
Alt- Onesti |
Alt Onesti, Alt Oneshty, Onesti-Vechi, Onești | Kischinew | 1885 |
Balmas |
Lemantov, Balmaz | Emmental | 1887 |
Blumental |
Hârtop, Hîrtop, Lobatnik | Leipzig | 1881 |
Bratuleni | Brătuleni | Kischinew | 1896 |
Freudenfeld |
Pshenychne, Пшeничне | Eigenfeld | 1880 |
Fundu Sarazika |
Sărățica Nouă, Nou Tomaiul | Neu Sarata | 1892 |
Fürstenfeld I |
Cneazevca I, Cneazeva | Neu Sarata | 1895 |
Hannowka |
Inculteni Noe, Annowka, Hannivka, Aннoвка/Ганнівка | Mathildendorf | 1896 |
Helenowka |
Ileanca (aufgelöst 1995) | Mathildendorf | 1895 |
Hirtenheim |
Ciobana, Ciobanovca | Kischinew | 1887 |
Kamtschatka |
aufgelöst 1995; westlich von Kotschkuwate, Camceatca, Kotschkowatoje, Кочкoватoе/ Кочкувате | Posttal | 1893 |
Katlebug |
Catlabug, Kattlebug, aufgelöst 1995 | Posttal | 1895 |
Maraslienfeld |
Marazli, Maraslijewka | Sarata | 1880 |
Missowka | Misovca | Kischinew | 1907 |
Neu-Annowka |
Anesti, Furatiwka/Фуратівка | Eigenfeld | 1897 |
Neu-Kureni |
Noi Coreni; heute ein Teil von Constantinovca | Kischinew | 1914 |
Neu-Nikolajewka |
Zenseren, Anenii Noi | Kischinew | 1889 |
Neu-Odessa |
Olgental, Noua Odessa (aufgelöst 1995) | Eigenfeld | 1879 |
Neu-Oneschti |
Noi Onestii, Oneşti | Kischinew | 1890 |
Neu-Strymba |
Noua Strimba, Grinăuți | Kischinew | 1860 |
Peterstal | Petresti, Petrowsk, Petrivs'k, Петровск/Петрiвськ | Leipzig | 1873 |
Pharaonowka | Faraoani,Faraonowka, Фараонівка, Фараоновка | Eigenfeld | 1899 |
Reulingen | Raileni, Jurjewka, Yurivka, Юрьевка / Юрївка | Mathildendorf | 1890 |
Rohrbach | Romanowo, Romanesti, Romanovca | Neu-Sarata | 1887 |
Ryschkanowka | Rascani Colonia, Rîșcani | Kischinew | 1865 |
Sangerowka | Zangherovca Nowomychajliwka/ Новомихайлівка | Posttal | 1898 |
Sarjari | Sararia, Sarjari, Sholtyi, Zhovtyi Yar, Жeлтый Яр / Жовтий Яр | Sarata | 1860 |
Schabolat | Tschabanske Чабанскoе / Чабанське; nordwestlicher Teil von Bilenke | Posttal | 1840 |
Scholtoi | Soltoaia | Kischinew | 1865 |
Straßburg II | Strassburn Sat, Maraslijewka, Selene/Зелене | Posttal | 1885 |
Strymbeni | Strambeni, Strîmbeni | Kischinew | 1881 |
Tschemtschelly | Cemcel Mare, Kamyschewka, Komyshivka Persha, Камышoвка / Комишівка Перша | Andrejewka | 1862 |
1Siebenbürgen = Landschaft, im Innern des Karpatenbogens, die heute zu Rumänien gehört. Vom 3. Jahrhundert v. Chr. an Teil des Königreichs der Daker, 106-271 n. Chr. Teil der römischen Provinz Dakien, seit dem 7. Jahrhundert von Bulgaren, seit dem 9./10. Jahrhundert von Ungarn beherrscht, vom 11. bis 13. Jahrhundert der ungarischen Krone unterstellt.
Zum Grenzschutz wurden im 10. Jahrhundert Szekler, ab etwa 1150 deutsche Bauern und Handwerker (Siebenbürger Sachsen) angesiedelt; 1211-25 breitete sich im Burzenland (historische Grenzlandschaft im Südosten Siebenbürgens) der Deutsche Orden aus. Eine rumänische Bevölkerung ist erst seit etwa 1210 sicher bezeugt. 1437 »Union der drei Nationen« (Ungarn, Szekler, Sachsen) zur Abwehr der seit 1432 vordringenden Türken.
Die Bedrohung durch die Türken führte nach 1493 bis etwa 1530 zum Um- und Ausbau der Kirchen zu Kirchenburgen. Nach der Schlacht bei Mohács (1526) kam Siebenbürgen unter osmanische Oberhoheit; 1688 bzw. 1691 fiel Siebenbürgen vorläufig, 1699 (Frieden von Karlowitz) bei Wahrung seiner Autonomie endgültig an die Habsburger (Österreich); 1848/49 kurz, nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 wieder mit Ungarn vereinigt. Die Magyarisierungspolitik stieß auf den entschiedenen Widerstand der dort lebenden Rumänen und Sachsen. Durch den Frieden von Trianon (1920) kam Siebenbürgen an Rumänien, durch den 2. Wiener Schiedsspruch (1940) Nordsiebenbürgen und das Szeklerland (Ostsiebenbürgen) an Ungarn, durch den Pariser Frieden (1947) ganz Siebenbürgen wieder an Rumänien.