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Sarata - eine deutsche Mutterkolonie in Bessarabien

Die ersten Auswanderer aus dem Königreich Württemberg

Ignaz Lindl
Ignaz Lindl

lgnaz Lindls anfeuernde Send-schreiben zur Auswanderung und die Privilegien lösten unter seinen Anhängern in der alten Heimat eine Art Volksbewegung aus. Die Losung hieß nun: "Auf nach Rußland!".

Es waren nur tüchtige und wohlhabende Bauern und Handwerker erwünscht. Wenn man sich allerdings die Auswanderungsliste näher ansieht, waren die wenigsten Bauern.

die Auswanderer verabschieden sich von Freunden und Verwandten
der Abschied der Auswanderer

Auf jeden Fall setzte eine rege Werbetätigkeit ein, die ein voller Erfolg war. Die Anhänger Lindls meldeten sich sehr zahlreich bei ihren Oberämtern.

mehr zur Auswanderung klicke hier

 

674 der katholischen bayerischen Anhänger Lindls und 141 der evangelisch-pietistischen württembergischen Nachbarn wollten ihrem verehrten Prediger folgen und mit ihm in einer Kolonie leben.

Auswanderer aus dem Oberamt Heidenheim
Auswanderer aus dem Oberamt Heidenheim

Das Königreich Württemberg1 machte den Auswanderungs-willigen keine Schwierigkeiten, da die Landständische2 Verfassung von 1815 seinen Untertanen Auswanderungs-freiheit gewährte, während das Königreich Bayern mit allen Mitteln versuchte, seine Untertanen von der Auswanderung abzuhalten3.

Aus diesem Grund konnten dann am 11. August 1820 (andere Quellen am 30. August 1820) nur 87 pietistische Anhänger (in anderen Quellen 74) aus dem Württembergischen dem Ruf Lindls in das "gelobte Land" folgen.

Am 17. Juli 1820 veröffentlichte das Oberamt Heidenheim im Königlich-Württembergischen Staats- und Regierungsblatt auf S. 264 eine Liste der damaligen Auswanderungswilligen.

.... mehr zur Auswanderungsliste der Württemberger aus dem Jahr 1820 klicke hier

 

der Auswanderungsweg der Württemberger im Jahr 1820
der Auswanderungsweg der Württemberger im Jahr 1820

 

Matthias Scheits: Bauernfamilie mit dem Pferdewagen
Matthias Scheits:
Bauernfamilie mit dem Pferdewagen

Man muss den Mut und das Gottvertrauen dieser Auswanderer bewundern, mit Frau und Kindern, die oft minderjährig waren, in ein fremdes und weit entferntes Land zu ziehen, ohne Vorkehrungen für Unterkunft und ohne ärztliche Hilfe und das alles zu einer Zeit in der es noch keine Eisenbahnen und feste Straßen gab.

Auf der beschwerlichen Reise starben aber auch viele an Entbehrungen und Krankheiten. Ohne Sang und Klang und ohne Sarg wurden die Toten in fremder Erde einfach "neben dem Weg" begraben; ein Vaterunser am Grab und weiter ging die Reise.

 

Am 3. Oktober 1820 trafen die ersten pietistischen Familien aus Württemberg, unter der Führung von Leopold Nille, in Odessa ein.

Da noch keine Entscheidung über den Ort der Ansiedlung getroffen worden war, wurden die Neuankömmlinge in der 1808 gegründeten katholischen Kolonie Mannheim im Gebiet Kutschurgan provisorisch untergebracht.

mehr zu Lindls Kolonie klicke hier

 

Mannheim im Gebiet Kutschurgan
Mannheim im Gebiet Kutschurgan

 

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1 Auswanderungsbedingungen in Württemberg = Wenn jemand mit offizieller Erlaubnis aus dem Königreich Württemberg auswandern wollte, musste gewährleistet sein, dass sämtliche Schulden bei den Gläubigern abbezahlt waren. Deshalb musste er entweder eine gewisse Frist abwarten oder einen Bürgen stellen.
Die Erlaubnis zur Auswanderung wurde in den Jahren 1816 bis 1820 im "Königlich-Württembergischen Staats- und Regierungsblatt" veröffentlicht. Wenn die auswanderungswillige Person keinen Bürgen stellen konnte, enthielt das "Staats und Regierungsblatt" bis zu drei Aufrufe an eventuelle Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden. Ansonsten konnte sich der Gläubiger an den Bürgen wenden.
Sämtliche staatlichen Behörden bezogen das "Staats- und Regierungsblatt" und ließen die Ausgaben jährlich zum Buch binden. Bereits 1820 erschienen die Auswanderungsanzeigen nicht mehr im "Staats- und Regierungsblatt" selbst, sondern in einer eigenen Beilage, dem "Intelligenzblatt". Nach 1820 wurde dieses "Intelligenzblatt" den "Regierungsblättern" nicht mehr beigebunden.
Mit der Genehmigung zur Auswanderung konnte der Auswanderungswillige sein Bürgerrecht in Württemberg aufgeben und das Land verlassen. Selbstverständlich gab es auch Fälle, in denen Menschen ohne Genehmigung auswanderten. Diese Personen sind in den "Staats- und Regierungsblättern" nicht erfasst.
In einer für das 19. Jahrhundert typischen Weise wurde bei Familien nur der Name des Mannes als Haushaltsvorstand erfasst.

2 landständisch = den Landständen gehörig; ein Stand (Gesellschaftsklasse) eines Landes oder einer Provinz, der das Recht hat, auf Landtagen (Versammlung der Landständ) zu erscheinen und daselbst über Landesangelegenheiten zu stimmen.

3 Die " Verführung" der Staatsuntertanen zur Auswanderung galt nach dem Bayerischen Strafgesetzbuch als Staatsverbrechen und aufgegriffenen Werbern drohte ab 1815 anstatt der sofortigen Hinrichtung, immerhin noch eine zwei- bis acht-jährige Freiheitsstrafe geahndet werden.
Die Bundesakte des Deutschen Bundes vom 8. Juni 1815 gewährte jedem Untertanen, so auch dem im Königreich Bayern explizit das Recht zur Auswanderung, sofern der Auswanderung nicht genau ausgeführte Gründe entgegenstanden, wie nicht abgegoltener Militärdienst oder Personen, die in Gerichtsverfahren verwickelt oder verurteilt waren.
Jede Auswanderung bedurfte der ausdrücklichen Genehmigung durch die Regierung und wurde nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Erlaubnis erst Jahre nach der erfolgten Auswanderung erteilt wurde. Auswanderer, die ihre Heimat ohne Erlaubnis verlassen hatten, durften nie wieder nach Bayern zurückkehren und es wurde immer wieder angedroht, dass bei Verstoß gegen das Auswanderungsverbot die zurückgelassenen Güter vom Staat konfisziert werden konnten.
Von den Auswanderungswilligen wurde gemäß der Verordnungen seitens der bayerischen Behörden unter anderem folgendes verlangt: eine gutachterliche Stellungnahme der Gemeinde zum Auswanderungsgesuch, Taufschein (zwecks Nachweis des Alters), Nachweis über den Familienstand, Nachweis über die Zahl der Kinder, deren Geschlecht und Alter, Bestätigung über die Aufnahme und Ansässigmachung des Auswanderungswilligen im Auswanderungszielland, Vertrag über den Transport ins Auswanderungszielland, Nachweis der Vermögensumstände des Auswanderungswilligen und des durch die Auswanderung zu exportierenden Vermögens, Bezahlung der Nachsteuer in der Höhe von üblicherweise 10% des zu exportierenden Vermögens, Ärarzeugnis (Bestätigung, dass sämtliche Schulden beglichen wurden), Kreishilfskassenzeugnis (Nachweis, dass keine unterstützungsbedürftigen Verwandten zurückbleiben, die der Allgemeinheit finanziell zur Last fallen würden), Bestätigung, dass keine gerichtliche Untersuchung besteht, bei Auswanderungswilligen männlichen Geschlechts im Alter von 16 bis 36 Jahren der Nachweis, die Militärpflicht bereits abgeleistet zu haben, Bezahlung der Redimierungs-, später Reluitionssumme für Auswanderer männlichen Geschlechts, die noch nicht das Militärpflichtalter erreicht hatten (es musste die Summe von 180 Gulden hinterlegt werden, die der Auswanderer zurückerhielt, wenn er später entweder der Einberufung in die bayerische Armee Folge leistete oder von der Ableistung der Militärpflicht befreit wurde), Bezahlung von 5 Gulden in die Militärwitwenkasse, Nachweis der Veröffentlichung des Auswanderungsgesuchs.

 

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