Die Stasi und die Todesstrafe in der DDR

 

Gedenktafel im Leipziger Friedhof
Gedenktafel im Leipziger Friedhof

Bis 1981, so der jetzige Stand der Ermittlungen, wurden im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes (Stasi) 221 Todesurteile verhängt und vermutlich 164 ausgeführt. Genaue Opferzahlen gibt es bis heute allerdings nicht.

Die zentrale Hinrichtungsstätte war ab 1960 die Leipziger Strafvollzugsanstalt in der Alfred-Kästner-Straße. Heutigen Erkenntnissen zufolge wurden dort 64 Menschen getötet.

Die Todesstrafe war bis 1987 im Strafgesetzbuch der DDR im Paragraph 60 verankert:

Die Todesstrafe wird, soweit sie das Gesetz zuläßt, gegen Personen ausgesprochen, die besonders schwere Verbrechen begangen haben. Sie ist mit der dauernden Aberkennung aller staatsbürgerlichen Rechte verbünden und wird durch Erschießen vollstreckt.

Gegen Jugendliche wird die Todesstrafe nicht ausgesprochen, Gegen Frauen; die zur Zeit der Tat, der Verurteilung oder der Vollstreckung schwanger sind, soWie gegen Täter, die nach der Verurteilung geisteskrank geworden sind, wird die Todesstrafe nicht angewandt.

aus: Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (StGB) vom 12. Januar 1968

Auf insgesamt 20 Delikte stand in der DDR der Tod: Planung und Durchführung von Aggressionskriegen, Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Hochverrat, Spionage, landesverräterischer Treubruch, Terrorakte und vorsätzliche Tötung.

Die Todesstrafe gab es in der DDR von Anfang an. Am 26. April 1950 begannen im Zuchthaus der sächsischen Kleinstadt Waldheim bei Leipzig die Schnellverfahren ohne Verteidiger und Zeugen gegen 3.324 angebliche Naziverbrecher und Gegner des sozialistischen Systems. Langjährige Freiheitsstrafen und 33 Verurteilungen zum Tod waren die Folge. 24 von den 33 Todesurteilen wurden am 4. November 1950 vollstreckt, was eine weltweite Empörung hervorrief. Vollstreckt wurde die Hinrichtung von Volkspolizisten im Offiziersrang, die die Verurteilten erdrosselten. Grund hierfür war, dass kein Henker gefunden wurde.

die Fallschwertmaschine
die Fallschwertmaschine

Bis 1967 wurden die Todesurteile in der Strafvollzugsanstalt in Leipzig mit der sogenannten Fallschwertmaschine (Guillotine) vollstreckt.
Nachdem sie mehrfach ihren Dienst versagt hatte und es zwei oder drei Anläufe brauchte, ehe der Verurteilte tatsächlich tot war, ging man dazu über, die sowjetische Methode des "unerwarteten Nahschusses in das Hinterhaupt" anzuwenden. Das entsprach dem Verständnis von Humanität, mit dem die Höchststrafe gerechtfertigt wurde: „Indem die Todesstrafe der Sicherung und dem zuverlässigen Schutz unseres souveränen sozialistischen Staates, der Erhaltung des Friedens und dem Leben der Bürger dient, trägt sie einen humanistischen Charakter.“
Berufener Henker war von 1968 bis 1981 der Abteilungsleiter der Strafvollzugsanstalt Leipzig, Hermann Lorenz.

Hinrichtungsraum in Leipzig in der Alfred-Kästner-Straße
Hinrichtungsraum in Leipzig in der Alfred-Kästner-Straße

Den Delinquenten sollte es möglichst unerwartet treffen: Nachdem die Häftlinge die fensterlose Zelle betraten stand Lorenz mit seiner Pistole, Walther P38 mit Schalldämpfer, hinter der Tür und schoss den Verurteilten in den Hinterkopf. Nur zweimal musste ein anwesender Arzt Lorenz das Herz markieren, damit der Henker dann den zweiten, tödlichen, Schuss abgeben konnte.

Lipsia - cimitero sud
Lipsia - cimitero sud

Nach der Hinrichtung wurde der Sarg vernagelt und im Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof verbrannt. Ablauf und Umstände der Hinrichtungen unterlagen strengster Geheimhaltung.
Die Angehörigen erhielten zwar eine Nachricht, doch wurden die Leichen nicht ausgehändigt. Auf den Toten-scheinen waren selbst Todesursache (z. B. Herzinfarkt, Herzversagen oder Kreislaufversagen) und –ort stets gefälscht. Angehörige erfuhren teilweise erst nach der politischen Wende 1989/90, wo der Ehepartner oder das Elternteil begraben ist. Manche wissen es bis heute nicht.
Zahlreiche Verurteilte erfuhren nach der deutschen Wiedervereinigung ihre Rehabilitierung.

Werner Teske
Werner Teske

Das letzte Opfer der Todesstrafe war der Stasi-Hauptmann Dr. Werner Teske. Er wurde am 26. Juni 1981 wegen angeblich vollendeter Spionage und versuchter Fahnenflucht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Als Todesursache wurde "Herzversagen" angegeben.

 

Verblüfft erfuhren die DDR-Bürger am 17. Juli 1987 aus der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera", dass der Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik eine allgemeine Amnestie, u. a. für Wirtschaftskriminalität und Republikflucht, die Abschaffung der Todestrafe und Änderungen bzw. Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes beschlossen hatte.
Überraschend war für die meisten DDR-Bürger aber nicht die Abschaffung der Todesstrafe, sondern die Tatsache, dass es sie überhaupt noch gegeben hatte.

Honecker e Kohl
Honecker e Kohl

Die Nachricht von der Abschaffung der Todesstrafe war in erster Linie nicht für die DDR-Bürger bestimmt, sondern entsprach den westlichen Forderungen und hing mit dem damaligen ersten Staatsbesuch Erich Honeckers in Bonn bei Helmut Kohl im September 1987 zusammen. Die DDR benötigte dringend Geld aus dem Westen und Honecker wollte nicht mit leeren Händen ankommen.
Die Abschaffung der Todesstrafe hatte er als Zeichen des guten Willens und der Orientierung der DDR-Politik an völkerrechtlichen Verein-barungen geplant.

Da die Volkskammer nur zwei bis vier Mal im Jahr tagte, hatte die Zeit für eine formelle Gesetzesänderung nicht mehr gereicht. Erst im Dezember 1987, sechs Monate später, bestätigte die Volkskammer die Entscheidung des Staatsrates. Die Todesstrafe wurde formal aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die zentrale Hinrichtungsstätte in Leipzig verlor somit ihre Funktion.

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