Erlebnisbericht

 

Die Deutsche Demokratische Republik

die innerdeutsche Grenze im Harz von der BRD gesehen
die innerdeutsche Grenze im Harz
von der BRD gesehen

Für uns aus dem Westen war es nicht einfach in die DDR einzureisen: dazu benötigte man die Einladung eines Verwandten in der DDR. Dieser Verwandte musste mindestens 6 Monate vor der Einreise im Reisebüro der DDR in Ostberlin, unter Angabe des genauen Datums, einen Einreiseantrag (einmal jährlich bis zu einer Dauer von 4 Wochen) für seine Verwandten aus dem Westen stellen.

Wenn man die Einreiseerlaubnis erhielt, dann nur für den beantragten Zeitraum. Manchmal kam die Antwort nur einige Tage vor der Abreise.

Einreiseantrag
Einreiseantrag für Bürger aus der BRD

Nicht alle Verwandten konnten oder wollten für uns den Einreiseantrag stellen, denn wer Kontakte mit dem Westen hatte, konnte keine Karriere machen ode bekam keinen Studienplatz. Westdeutsche, die keine Verwandten in der DDR hatten, oder Ausländer, konnten Berlin für maximal 24 Stunden besichtigen.

Meine Reise nach Ostberlin

die innerdeutsche Grenze im Harz von der BRD gesehen
die innerdeutsche Grenze im Harz
von der BRD gesehen

Weihnachten 1979 war ich in Ostberlin: es war ein sehr harter Winter.
Die Temperaturen sanken nachts auf -20°C. Aber bevor ich abfuhr, besorgte ich natürlich Geschenke für meine Ver-wandten. Dinge, die sie brauchen konnten und die natür-lich erlaubt waren einzuführen, wie z.B. Feinstrumpfhosen (die kosteten damals in der DDR ungefähr 30,- M = 15.- €), Kugel-schreiber, die nicht klecksten, Kaffee (DDR-Kaffee aus Zichorie war scheußlich) und sogar Schokolade usw.

„Symbole des Kapitalismus“ wie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher aus dem Westen waren verboten einzuführen.

...... Und endlich war es soweit. Die Zugfahrt von Stuttgart nach Ostberlin (ca. 750 km) dauerte 12 Stunden.

meine Zugkarte
meine Zugkarte

 

Niemandsland
Niemandsland

Nachdem der Zug die innerdeutsche Grenze bei Hof überquert hatte, fuhr er mit hoher Geschwindigkeit weiter, bis nach Westberlin. Eine Strecke von ca. 300 km ohne einen einzigen Halt!!

Die Fahrt von Westberlin, Zoo, nach Ostberlin, Friedrichstraße, dagegen im Schritttempo, löste in mir ein Gefühl des Unbehagens und großer Angst aus. Man durfte nicht aufstehen und z.B. die Zugfenster öffnen oder schließen, denn die Vopos (Abkürzung für Volkspolizei) konnten das als Fluchtversuch ansehen und schießen.

Für uns aus dem Westen war eine Reise in die DDR immer mit einem Risiko verbunden. Wir Westdeutsche, Klassenfeind der DDR, waren sicher in die DDR einzureisen, aber niemals sicher wieder ausreisen zu dürfen.

Grenzsoldat
Grenzer

Endlich in Ostberlin Friedrich-straße angekommen, musste man durch die Zoll- und Passkontrolle. Es gab eine Menschenschlange für Ausländer und Westdeutsche, die als Touristen Ostberlin für 24 Stunden besichtigten und eine für Westdeutsche mit Einreise-genehmigung, die ihre Verwand-ten besuchten.

Grenzer
Grenzer

Die Zollbeamten waren immer sehr ernst. Mit ihrem durch-dringenden Blick schauten sie uns zuerst in die Augen, dann auf das Passfoto, dann wieder in die Augen und so weiter. Sie zögerten immer, ob sie uns durchlassen sollten oder nicht. Es war einfach einen Grund zu finden, um uns nicht durchzulassen.

Endlich auf der anderen Seite durften wir unsere Verwanften begrüßen.

Geld musste im Wechsel 1:1 umgetauscht werden. 15,- DM (zirka 7,50 €) pro Tag und Person. Der Wechsel war jedoch ungerechtfertigt und für uns ungünstig.

Innerhalb 24 Stunden nach der Ankunft musste man sich polizeilich melden, ebenso musste man sich 24 Stunden vor der Abreise wieder abmelden. Es war nicht möglich vorher abzureisen oder den Aufenthalt zu verlängern.

So musste auch ich mich bei der Polizei melden. Das war aber gar nicht so einfach, denn da ich nicht wusste, wie ich zur Polizei kommen konnte, fragte ich freundlich die Passanten nach dem Weg. Als diese aber das Wort “Polizei“ hörten, drehten sie sich um, ohne ein Wort zu sagen und gingen schleunigst weg.

Aber wie war Ostberlin damals

Palast der Republik ("Palazzo della Repubblica") 1980
Palast der Republik 1980
(von den Einwohnern scherzhaft
"Ballast der Republik" genannt)

Ehrlich gesagt war ich erstaunt, dass der Teil Ostberlins, den man in 24 Stunden besichtigen konnte und den die westliche Welt kannte, auf dem neuesten Stand war. Der Rest von Berlin war jedoch unverändert geblieben, d.h. auf dem Stand nach dem Krieg 1945.

So fuhr ich in einer alten Straßenbahn ohne Heizung und mit Türen, die sich nicht schließen ließen.

Berliner Dom 1980
Berliner Dom 1980

Die Häuser waren nie renoviert worden, so dass viele von ihnen eingestürzt waren. Kirchen, Denkmäler und Häuser, die im Krieg bombardiert worden waren, sind nie wieder aufgebaut worden und standen als Ruinen da.

Die Läden waren oft halb leer, so dass meine Verwandten scherzhaft meinten „sie ziehen gerade um“. Das, was man nicht in einem Laden fand, fand man in keinem anderen. Alle Läden waren in der gleichen Lage, die im kleinen Ort, sowie die in der Großstadt Berlin.

Die DDR hatte die Deflation (viel Geld und wenig Ware) und oft wussten wir nicht, wie wir das umgetauschte Geld ausgeben sollten. Es den Verwandten zu lassen hatte ja keinen Sinn, denn wegen der Deflation hatten sie ja genug Geld, was fehlte war die Ware.

Marienkirche (1292)
Marienkirche (1292), das einzige Gebäude,
das die Bombardierungen überlebt hatte

Eine Menschenschlange vor einem Laden bedeutete, dass es etwas zu kaufen gab und alle standen stundenlang Schlange, obwohl niemand wusste, was es zu kaufen gab. Keiner traute sich nach-zufragen, was es gab. Es konnte auch passieren, dass beim Betreten des Geschäftes der Artikel nicht mehr erhältlich war, so verbreitete sich die Gewohnheit immer alles zu kaufen wenn es erhältlich war, auch wenn man es nicht brauchte.

Wie schon gesagt, der Winter 1979 war sehr hart und oft fiel der Strom aus, so dass für die Beleuchtung Kerzen verwendet wurden. Das Ergebnis war, dass zur Adventszeit keine Kerzen mehr zu kaufen gab. Schon damals stand man vor einer Revolte. Um die Bevölkerung zu beruhigen, erschienen in ganzer Eile tropffreie Kerzen auf dem Markt. Es waren Kerzen, die nur in der Bundesrepublik Deutschland erhältlich waren, so entdeckten wir, dass diese Marke in der DDR für die BRD produziert wurden.

Die DDR hatte einen jährlichen Arbeitsplan (Planwirtschaft), der die Produktion von einer bestimmten Anzahl von Artikeln vorsah. Wenn diese z.B. im September fertig waren, wurde die Produktion angehalten.

Meine Abreise

Bahnhof Friedrichstraße in Ostberlin
Bahnhof Friedrichstraße in Ostberlin,
rechts kann man deutlich die Abriegelung
zum anderen Gleis sehen

Den Verwandten aus dem Osten war es nicht erlaubt uns auf den Bahnsteig zu begleiten, deshalb mussten wir uns in der Bahnhofshalle verabschieden. Der Zug von Ostberlin nach Stuttgart fuhr abends ab; an dem Abend war es eiskalt und der Zug war noch nicht eingefahren.

An beiden Extremitäten des über-dachten Gleises waren in der Höhe Laufstege angebracht, auf denen je ein Vopo mit Maschinenpistolen patrouillierte.

Als der Zug endlich einfuhr, machten mich andere Passagiere darauf aufmerksam, dass die gelbe Linie auf dem Bahnsteig auf keinen Fall überschritten werden durfte, bis die Vopos mit ihren Spürhunden und Maschinengewehren alles kontrolliert hätten. Es wurde in, unter und auf dem Zug nach versteckten Flüchtlingen gesucht. Es war unheimlich. Danach erhielten wir endlich das ersehnte o.k. und durften in den eiskalten Zug einsteigen.

Schlussfolgerungen

All diese Einschränkungen, die Mauer, die nicht nur Deutschland sondern den Kapitalismus vom Kommunismus teilte, der Mangel an Bewegung- und vor allem Gedankenfreiheit hatten im deutschen Volk eine Art Resignation hervorgerufen. Niemand hätte jemals gedacht, dass nach 10 Jahren die Mauer fallen sollte und die Menschen die so lang ersehnte Freiheit genießen sollte.

Menschenmengen auf der Berliner Mauer am 9. November 1989
Die Freude über den Mauerfall von Westberlin aus gesehen, 9. November 1989

Wie sah es dann wirklich aus? Nach dem ersten Jubel und Trubel mussten die Deutschen in West und Ost die 'Augen' öffnen. Die Steuern stiegen sofort an, sowohl im Osten als auch im Westen. Die Ex-DDR musste aufgebaut werden.

Im Osten stiegen die Preise an, was gleich blieb, waren die Löhne. Viele Betriebe mussten oder wurden in der auf Landwirtschaft (hauptsächlich Schweinezucht) eingestellten ehemaligen DDR geschlossen. Wenn es vorher offiziell keine Arbeitslosigkeit gab, stieg nun die Arbeitslosenrate rapide an. Die allgemeinde Meinung der Ostdeutschen war: „Für die Freiheit haben wir einen hohen Preis bezahlt“. Eine Bevölkerungsflucht in den Westen folgte, um Arbeit zu finden. Heute (Stand 2015) sind viele Dörfer, in denen es einst Leben gab, ausgestorben und dem Verfall preisgegeben.

Der Gedenkort der Maueropfer ''Die Weißen Kreuze'' am Friedrich-Ebert-Platz
Der Gedenkort der Maueropfer ''Die Weißen Kreuze'' am Friedrich-Ebert-Platz
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